Simple Smart Buildings

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Anlässlich der Wiedereröffnung des österreichischen Parlaments des Nationalrats nach einer mehr als zweijährigen Generalsanierung im Jänner 2023 wurde in einer der Stellungnahmen zum Umbau der Altbestand, das alte Parlament, mit dem nun generalsanierten Bau verglichen mit dem Unterschied zwischen einem Steyr 15er Traktor und einem Tesla. Da, denke ich, war natürlich schon eine gewisse Abwertung des Bestehenden, des im Rahmen des Umbaus auch der zum großen Teil zerstörten alten technischen Ausstattung.

Und es zeigt, denke ich, auch leitbildhaft die unterschiedlichen Werthaltungen. Eben einerseits steht der Tesla für moderne, innovative, zukunftsweisende Technologie und der Steyrer 15er Traktor für veraltete, überkommene Technologie. Und genau bei dem Punkt will ich anknüpfen, weil ich das einfach anders sehe. Der Steyrer 15er Traktor, das ist so der typische Traktor für Kleinlandwirtschaften, der in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg produziert wurde. Die Produktion dieses Typs 80, wie er offiziell hieß, ursprünglich mit 13 PS, später mit 15 PS, wurde 1949 aufgenommen und der Traktor wurde bis 1964 produziert. Der war für mich ein leuchtendes Beispiel einfacher, langlebiger, hervorragend funktionierender mittlerer Technologie. Diese Zugmaschine hatte nur einen Zylinder, war sehr, sehr sparsam im Verbrauch, also bei Feldarbeit verbraucht, (und man kann in der Gegenwart sprechen, denn diese Traktoren sind immer noch in Einsatz) verbraucht dieses Gerät nur ein bis zwei Liter Dieselkraftstoff pro Stunde. Der Traktor hatte eine Zapfwelle am Heck, wo man verschiedene Geräte anhängen konnte und auch eine Riemenscheibe, wo in landwirtschaftlichen Betrieben Maschinen, eben auch wieder Maschinen mittlerer Technologien wie Kreissägen, die konnten mit dieser Riemenscheibe betrieben werden. Das war also ein universeller Motor, unabhängig, brauchte, im Gegensatz jetzt zu elektrischer Energie, keine Leitungsinfrastruktur, also eine hervorragend funktionierende, langlebige, dauerhafte mittlere Technologie. Ich kann mich persönlich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern. Mein Firmpate besaß eben auch eine Kleinlandwirtschaft und eben auch einen solchen Steyr 15 Traktor und der war universell eingesetzt. Also ich kann mich erinnern bei der Waldarbeit, bei dem gab es auch bei diesem Traktor bereits ein hydraulisches Hubwerk am Heck und hier wurde quasi ein selbst konstruierter, von einem Schlosser zusammengeschweißter, auch wieder Hebekran mittlerer Technologie angebaut. Und mit dem konnten dann die Rundhölzer, die Bloche auf den Wagen hinaufgehoben werden. Und das war eine riesige Arbeitserleichterung. Und ein Freund von mir in Hallstatt, der auch eine Mini-Landwirtschaft betreibt, auch der besitzt noch einen solchen Steier 15er Traktor und ist hochzufrieden. Der springt an, der hat keine Elektronik, der ist selber wartbar. Und darum denke ich, dass dieser Vergleich vom Tesla und dem Steyrer 15er Traktor ein sehr guter Einstieg in diese mittlere Technologie in den Eingeweiden der Wiener Ringstraße dasteht. Für diese Eisentechnologie, und ich verwende hier ganz bewusst den Begriff Eisen, denn im 19. Jahrhundert war man technisch noch nicht so weit fortgeschritten, Stähle in unseren heutigen Qualitätsstandards zu produzieren. Und dieses Eisen gehört zur Type des sogenannten Flusseisen, wurde in sogenannten Puddelöfen hergestellt. Also da wurde tatsächlich noch von Arbeitern in den Schmelztiegeln händisch umgerührt, um den Kohlenstoffgehalt mehr oder weniger optimal einzustellen. Und für diesen Eisenbau, für diese Eisenkonstruktionen, da steht eine Unternehmerpersönlichkeit des 19. Jahrhunderts und das war Ignaz Gridl. Ignaz Gridl ist 1825 in Wien geboren und wuchs im sechsten Gemeindebezirk in einer kleineren oder mittleren Schlosserei auf. Er machte auf Wunsch seiner Eltern ganz klassisch eine Schlosserlehre, um diesen Betrieb zu übernehmen, ging aber dann in den 1840er Jahren nach Paris, um sich fortzubilden. Er arbeitete dort in einem Konstruktionsbüro, also diese Kombination einerseits die handwerkliche Basisausbildung und dann darauf aufsetzend eine Ingenieurausbildung.

Kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts kehrte er nach Wien zurück und war in einem Konstruktionsbüro tätig, wo zum Beispiel die eisernen Dachstühle des St. Marxer Schlachthofs entwickelt wurden. Also das war so das erste große Projekt Gridls kurz vor der 1848er Revolution und das war damals natürlich absolut innovativ. Diese vernieteten, zarten Eisenkonstruktionen, die Trägertypen waren filigrane Fachwerkträger und ich denke von diesen Konstruktionen geht eine ganz besondere Ästhetik aus. Also diese zarten Profile, diese wirkliche Materialoptimierung, die Verbindung mit Nieten, wo einfach die Funktion, denke ich, auch für technische Laien, die Flüsse der Kräfte in der Konstruktion sehr klar und gut ablesbar sind. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brach in Wien mit diesem großen Stadterweiterungsprojekt, mit der Schleifung der Basteien, mit der Bebauung der Basteigründe ein Riesenbauboom aus. Ich finde es auch vom wirtschaftlichen Ansatz her sehr spannend. Es wurde die Finanzierung der öffentlichen Bauten anders und wie ich denke viel klüger finanziert, als man heute solche Projekte finanziert. Es wurden die Gründe, und es war zu dieser Zeit, es war ein Bauboom und es war natürlich eine große Nachfrage nach Baugründen im Bereich zwischen dem ersten Bezirk, der inneren Stadt und den Außenbezirken. Und diese Gründe wurden wirklich zu sehr hohen Preisen an private Spekulanten verkauft. Und die öffentliche Hand konnte aus diesen Einnahmen einen gewaltigen Fonds speisen, den sogenannten Stadterneuerungsfonds. Und die letzten Gelder dieses Stadterneuerungsfonds wurden tatsächlich erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus diesem Fonds entnommen. Der Fonds diente einerseits dazu, um diese bedeutenden öffentlichen Bauten von der Staatsoper über das Burgtheater bis hin zur Universität, bis hin zum Museum für Kunst und Industrie, also das MAK. Es wurden diese bedeutenden Großgebäude aus dem Fonds finanziert und es wurde über mehr als ein Jahrhundert daraus auch noch zum Teil deren Erhaltung finanziert. Also hier denke ich, auch in der Finanzierung dieses Systems liegt sicher eine Vorbildwirkung, vielleicht auch eine mittlere Technologie der Finanzinstrumente. Aber mein Spezialgebiet ist natürlich die Technik und diese mittleren Technologien. Und da kam ein sehr dramatisches Ereignis, Ignaz Gridl, und seinem Ansatz aus Eisen zu bauen, zu Hilfe. Und das war der sogenannte Ringtheaterbrand im Jahr 1881. Im Bereich des Schottenrings stand ein Theaterbau und da kamen, gab es Probleme mit der automatischen Zündung der Gasbeleuchtung, es trat Gas aus und beim zweiten Zündversuch explodierte das Gas. Und als dann die Bühnendekoration, der Zuschauerraum im Brand geriet, drängten die Menschen nach außen und die Türen gingen in die falsche Richtung, entgegen der Fluchtrichtung auf. Und bei dieser Brandkatastrophe, da gibt es verschiedene Quellen, kamen mehrere hundert Menschen. Also es gibt Quellen so deutlich über 300 bis hin zu manchen Quellen, die von knapp unter 1.000 Toten sprechen. Also diese größte Brandkatastrophe der Monarchie im 19. Jahrhundert, die löste natürlich ein Umdenken aus und es ging um die Verdrängung des Holzes als Konstruktionsmaterial und die Verwendung von Eisen, das auf den ersten Blick natürlich logischerweise als unbrennbar galt. Es gibt natürlich im Brandfall, wenn andere Brandlasten im Raum sind, ganz andere Probleme mit eisernen Konstruktionen, weil ab einer gewissen Erhitzung des Materials verändert sich die Kristallstruktur, in der der Kohlenstoff und die Eisenmoleküle miteinander im Kristallgitter stehen. Die Konstruktion wird sehr weich und stürzt dann genauso ein, also es ist auch Eisen, das zu heiß wird oder Stähle, also diese Mischkristalle sind jetzt nicht unbedingt 100% brandsicher, aber damals war es natürlich Common Sense, Holz als Konstruktionsmaterial durch Eisen zu substituieren. Und das führte dazu, dass eben Ignaz Gridl, der mittlerweile schon einen eigenen Betrieb im sechsten Bezirk in der Esterhazygasse betrieb, dann wirklich zu expandieren und er wanderte quasi über den Wienfluss in den Bereich des Bacherplatzes, Siebenbrunnengasse, wo er dann seine sehr, sehr große und in der Monarchie führende Eisenkonstruktionswerkstätte eröffnet. Also es hieß die K&K-Hof-Eisenkonstruktionswerkstätte und Brückenbauanstalt Ignaz Gridl. Ein zum Beispiel sehr interessantes Projekt, mit dem man eigentlich sehr viel Aufmerksamkeit erzielen konnte. Das war die Eisenbahnbrücke im K&K Kriegshafen von Pola in Istrien. Diese Eisenbahnbrücke wurde einerseits ohne Gerüst in freien Vorbau gebaut und andererseits war ein Teil dieser Brücke drehbar ausgeführt. Also man konnte eben auch wieder mit dieser einfachen mittleren Technologie ein Brückenfeld wegdrehen und dadurch war eine Fahrgasse für die K&K-Kriegsschiffe frei.

Fürs Burgtheater, aber auch für die Volksoper und fürs Volkstheater wurden so gut wie alle Konstruktionen in Eisen ausgeführt. Also da geht es einerseits um die Dachstühle, da geht es um die ganze Technik in der Bühne, um die Versenkung, um den Schnürboden, aber auch zum Beispiel der Zuschauerraum, das Parkett, der Boden des Parketts, die Tragkonstruktion. Das ist alles aus vernieteten Eisen hergestellt und womit ich mich vertieft beschäftigt habe und was ich besonders interessant finde, das ist die ganze Klimatechnik. Da habe ich ja eine eigene Episode über Luftbrunnenanlagen gestaltet. Ich stelle in die Shownotes einen Link dazu. Die Steuerung dieser Technologie, also die Bühnentechnologie in der Versenkung, wurde tatsächlich schon mit Hydraulik gearbeitet, also mit Flüssigkeitsdruck, ursprünglich mit Wasserhydraulik und in der Haustechnik die ganzen Stellräder, die ganzen.

Öffnungen oder Verengungen der Schächte, das funktionierte alles mit Handrädern, mit Kurbeln, mit einfachen Getrieben, mit Handrädern, mit Kettenzügen. Also eine extrem robuste Technologie. Das Burgtheater wurde 1888 fertiggestellt. Manche dieser Einrichtungen funktionieren heute noch so wie vor 130 Jahren und das geht hinauf bis übers Dach, bis hin zur Fortluftöffnung beim Blasengel. Ein sehr schönes Beispiel sind für mich auch die Deckenkonstruktionen in den beiden Feststiegenhäusern des Burgtheaters. Diese Feststiegenhäuser besitzen sehr hohe, von riesigen Fenstern durchbrochene, sehr schlanke Wände und sind mit einer sehr flachen Segmenttonne überwölbt. Würde man diese Segmenttonne in herkömmlicher Gewölbekonstruktion bauen, dann hätte man natürlich vor allen Dingen auch durch die Flachheit des Segmentbogens gewaltige horizontale Kräfte im Bereich der Mauerkrone, welche die Seitenwände nach außen drücken würde. Durch die Konstruktion Gridls, da sind dann über diese Mauern sehr, sehr filigrane Fachwerkbinder gespannt. Die sieht man natürlich nicht, die sind unsichtbar für den durchschnittlichen Benutzer, der über die Feststiege geht. Die sind verborgen an diesen Mauern. Bindern, die von Wand zu Wand über die Schmalseite des Grundrisses gespannt sind, da sind dann in Längsrichtung fünf riesige Pfetten, die sind ungefähr 1,50 Meter hoch als Fachwerkträger ausgeführt, sind in Längsrichtung und von diesen Pfetten sind Segmentbögen genau in der Form des Gewölbes abgehängt. Und zwischen diesen Eisenbögen sind wiederum die Deckenziegel eingehängt. Diese Konstruktion verursacht eben keinerlei horizontale Schubkräfte.

Sondern die Kräfte werden ausschließlich vertikal abgeleitet und dadurch ist es möglich, so schlanke und so offene, so durchbrochene Außenwände zu bauen. Übrigens an der Unterseite des Gewölbes, die Gemälde sind eben auch nicht in klassischer Freskotechnik in den Verputz des Gewölbes gemalt, sondern das sind sogenannte Marouflagen. Da wurden die Gemälde im Atelier gemalt und die Leinwand wurde dann mit Hilfe von Bleiweißpigmenten, die in Leinölfirnis gebunden waren, auf die Decke aufgeklebt. Und dann auch zum Teil bei diesen Gemälden im südlichen Feststiegenhaus, die sind zum Teil von Gustav Klimt und da spürt man auch, denke ich, schon sehr schön den Übergang vom Historismus in die Moderne. Also da leuchtet, denke ich, auch schon der Jugendstil durch.

Die Qualität dieser mittleren Technologien liegt meiner Meinung nach darin, dass sie durchschaubar ist. Und das, glaube ich, macht auch die Faszination dieser Einbauten, die ja, und da finde ich gerade die Epoche des Historismus so spannend, dass man einerseits die Schauseite, das, was man nach außen zeigt, in Kopien historischer Stile und, das sei dazu gesagt, in höchsthandwerklicher Qualität ausführt, dass aber die Eingeweide, das was dahinter steht, bereits modern ist. Und da gibt es ja einen Architekten und Theoretiker des Historismus, das ist der Gottfried Semper, der genau dieses Verkleiden, diese bewusst ausgesuchte, gewählte äußere Hülle, die beschreibt als ein ganz wichtiges Element der Zeit. Es gab natürlich Zeiten, wo diese historistische Architektur verurteilt wurde als platte Kopie, als Phantasielosigkeit, aber im Verständnis dieser Zeit war es ein spielerischer Umgang. Und wenn Sie diese Fotografien oder wenn Sie diese Objekte in Realität sehen.

Dann geht davon eine Begeisterung. Das ist so etwas Ähnliches wie Menschen, die von Dampflokomotiven besessen sind. Also was diese mittleren Technologien miteinander verbindet, das ist deren Klarheit, deren Entwicklung aus der Funktion und deren funktionale Ablesbarkeit bei den Technologien, mit denen wir heute konfrontiert sind, wie mit dem Handy.

Das ist ja letztlich vielleicht ein Vergleich mit dem Historismus. Auch da gibt es eine äußere Hülle, die sehr einfach, die sehr klar, die verständlich ist. Aber was hinter dieser Hülle ist, was in den Eingeweiden eines Smartphones steckt, ist für den Durchschnittsbenutzer, für die Durchschnittsbenutzerin natürlich ein Buch mit sieben Siedeln. Und Ignaz Gridl baute natürlich nicht nur diese Eisenkonstruktionen eigentlich für alle bedeutenden Ringstraßenbauten, also zum Beispiel für den Musikverein, dann fürs Rathaus, die gesamten Dachstühle, für die Hofmuseen, also für das Kunsthistorische und für das Naturhistorische Museum, die Kuppeln. Das sind sogenannte Agraffenkonstruktionen. Also die Kuppeln selbst, die bestehen aus Eisenrippen, in denen leichte Ziegel eingehängt sind. Und durch diese Konstruktionen bekommt man natürlich die Gewölbe, Schubkräfte hervorragend in den Griff und man braucht keine Strebesysteme oder Zugstangen in diesen Konstruktionen. Die sind quasi selbsttragend. Wenn man die Literatur in ihrer gesamten Breite durchforstet und etwa auch in die Ausgaben der Arbeiterzeit um dieser Zeit schaut, sieht man.

Dass diese technische Innovation natürlich auch eine dunkle Kehrseite hatte. Ignaz Gridl war als Arbeitgeber eine sehr unangenehme Persönlichkeit. Ich habe einen Artikel in der Arbeiterzeitung aus 1890 gefunden, wo die Zustände beschrieben wurden, dass einerseits bis hin zu den Aborten überall Verbotsschilder mit allen möglichen Drohungen aufgehängt waren, dass Vorarbeiter, sogenannte Antreiber fast wie Sklaventreiber, die Arbeiter zur Arbeit antrieben. Es gab brutale Bestimmungen, dass jemand, der sich im Betrieb verletzt hat, der einen Arbeitsunfall hatte, sich spätestens 24 Stunden nach dem Unfall wieder persönlich im Betrieb melden musste, sonst wurde gekündigt. Also das ist natürlich die Kehrseite dieser leuchtenden Innovationen, dass hier wirklich für uns heute unvorstellbar brutale Arbeitsbedingungen herrscht. Dieses Jahr 1890 war auch das Todesjahr von Ignaz Gridl.

Ein weiteres sehr spannendes Projekt, glaube ich, wo auch diese Arbeitsweise, diese mittlere Technologie ablesbar ist, das ist das Monturdepot in der Hofburg, die Montur. Das ist eben die alte Bezeichnung für Dienstkleidung, für Uniformen und das ganze Dienstpersonal in der Hofburg trug zeremonielle Monturen und die wurden in einem eigenen Lagerraum im leopoldinischen Trakt der Hofburg gelagert. Und dieses Monturdepot, das ist noch im Originalzustand erhalten und da ist, glaube ich, schon der nächste Schritt gesetzt, dass man die eiserne Konstruktion nicht mehr verbirgt. Also da ist es nicht mehr quasi das Eingeweide, sondern da wird schon sichtbar. Also es sind einerseits sind die Böden in diesen ganz typischen für das Ende des 19. Jahrhunderts, in diesen Steingutfliesen aus der Produktion der Gebrüder Schwadron. Das heißt, da ist die Färbigkeit, da ist die Verzierung der Oberflächen. Aber es ist eben schon ein neuartiges, industriell produziertes Material und es sind auch schon die Eisenkonstruktionen sichtbar.

Weil dieses Monturdepot wurde in einen sehr hohen Gewölberaum eingebaut und da wurde quasi eine Zwischendecke eingezogen. Und um diese Kleidungsstücke trocken zu halten, wurde auch ein aufwendiges Ventilationssystem eingebaut. Also das sind noch die originalen gusseisernen Heizkörper und dann Schlitze, Gitter, Roste im Boden, dass die trockene Luft zirkulieren kann und so der Bestand der Textilien gesichert bleibt. Und das Kunsthistorische Museum nutzt noch diesen Raum im Originalzustand zur optimalen Lagerung von Textilien.

Vielleicht ist das Monturdepot so ein Übergang. Es ist ja natürlich nicht ein repräsentativer Raum, sondern ist ein Zweckbau für die Dienerschaft, wo eben diese mittlere Technologie schon sichtbar gleitet. Der nächste Schritt ist dann sicher das Zeigen dieser Konstruktion in den Palmenhäusern. Und da ist für mich ein sehr schönes Beispiel das Palmenhaus von Fritz Ohman im Burggarten. Da ist einerseits natürlich schon in der äußeren Gestaltung der Jugendstil in seinen Formen bereits gut lesbar, auch sehr schön in dem Wechselspiel zwischen den festen, opaken, steinernen Baukörpern, dem Mittelrisalit und den beiden Eckrisaliten und der dazwischen aufgespannten Eisenkonstruktion. Also hier ist einerseits das Wechselspiel zwischen leicht und schwer.

Zwischen Stein und skelettöser Metallkonstruktion und hier wird die Metallkonstruktion, die Eisenkonstruktion bereits ganz offen gezeigt. Auch vom Klimatischen ist dieses Palmenhaus sehr interessant, denn man nutzt die große Speichermasse der an der Rückwand liegenden ehemaligen Bastei bei der Albertina, die ist quasi in der Rückwand noch vorhanden. Und die heiße Luft, die an der südseitigen Glasfront entsteht, die wird abgeleitet, wird an der Rückseite, an der Augustinerbastei, thermisch entladen und kehrt gekühlt zurück, wo wieder die Idee eines saisonalen Speichers ist. Also im Sommer wird dieser gewaltige Mauerwerks- und Erdmasse-Speicher thermisch aufgeladen und man kann dann diesen Energiespeicher weit in den Herbst, in den Winter hinein nutzen. Dass diese mittleren Technologien, diese Handräder nicht völlig aus der Architektur verschwunden sind.

Findet man, so denke ich, sehr schön in den Beispielen des amerikanischen Architekten Tom Kundig aus Seattle, der in sehr, sehr vielen seiner Projekte Handräder kurbeln, sogenannte Cranks verwendet. Das ist ein wesentliches Element seiner Architektur und ganz ähnlich wie bei diesen technischen Einbauten an der Wiener Ringstraße kann man auch in den Gebäuden, die Tom Kundig geplant hat, riesige Fenster mit Handkurbeln und guten Übersetzungen kinderleicht öffnen und bedienen. Man braucht keine Elektronik, die meistens ausfällt oder eine Fernbedienung, die man nicht findet. Es ist das große Handrad, es ist sofort ohne Erklärung ablesbar, wie das funktioniert oder Beschattungssysteme, wo es möglich ist.

Mit einer Handkurbel riesige Beschattungselemente vor die Glasfassade zu führen. Ich bin davon überzeugt, in dieser mittleren Technologie und diese mittlere Technologie, die steht zwischen den. Der Low-Tech und zwischen der High-Tech. Das heißt, in dieser mittleren Technologie, da steckt schon sehr viel Hirnschmalz drinnen, aber sie ist noch allgemein verständlich und durchschaubar und die ersten Philosophen, die diese Art der Technologie bereits in den 1970er Jahren beschrieben haben, die deren Vorbildwirkung in der Entwicklungshilfe erkannt waren. Das waren einerseits der Salzburger Philosoph Leopold Kohr, der in Puerto Rico gewirkt hat und ein Deutscher, der nach England emigriert ist, E. F. Schumacher, der mit seinem berühmten Satz Small is Beautiful in seinem Werk die Rückkehr zum menschlichen Maß, die Qualitäten dieser mittleren Technologien beschrieben hat. Und ich denke, das ist der entscheidende Satz, die Rückkehr zum menschlichen Maß. Das menschliche Maß nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Und das ist für mich Klarheit Durchschaubarkeit, Benutzerfreundlichkeit und Langlebigkeit.

Seit der Episode 140, gibt es zu jeder Episode von Simple Smart Buildings auch ein Transkript. Ich habe mir die Mühe gemacht, jedes dieser Transkripte dann auch noch einmal kritisch Korrektur zu lesen und vor allen Dingen bei Fachausdrücken Sorge dafür zu tragen, dass die auch richtig im Transkript stehen. Manche Podcast-Anbieter sind so programmiert, dass auch dort automatische Transkripte erstellt werden, die allerdings, wie ich gesehen habe manchmal wirklich fehlerhaft sind und vor allen Dingen Fachausdrücke sehr falsch und nahezu unverständlich wiedergeben. Wenn Sie also Interesse daran haben, ein korrigiertes Transkript herunterzuladen, dann gehen Sie bitte zum Feed dieses Podcasts. Ich habe den Podcast bei Podigee gehostet und dort finden Sie diese Transkripte als Download.

Aus dem Transkript dieser Episode ist ein Text hervorgegangen. Dieses Thema der mittleren Technologien hat mich weiter beschäftigt und ich wurde dann angesprochen, ob ich in einem Buch, das einen Blick hinter die Kulissen der Wiener Ringstraße wirft, einen Text schreiben könnte. Und da haben diese Gedanken, denke ich, sehr gut dazu gepasst. Und ich habe diese Episode zu einem Text mit dem Titel 2Lob der mittleren Technologien" weiterentwickelt. Wenn Sie dieser Text, aber vor allen Dingen ein Buch mit wunderschönen Fotografien, mit einem Blick hinter die Kulissen der Wiener Ringstraße interessiert, dann stelle ich Ihnen in die Shownotes den Titel dieses Buchs.

Das Cover des Buchs ist auch das Cover dieser Episode. Die Fotografien in diesem Buch stammen von der Architekturfotografin Hertha Hurnaus. Die Herausgeber der Texte sind einerseits der Architekturjournalist Maik Novotny und die Architekturtheoretikerin Gabriele Kaiser.

Idam, Friedrich, Lob der mittleren Technologien, in: Maschinenräume – Hinter den Kulissen der Wiener Ringstraße, Hg. von Hertha Hurnaus, Gabriele Kaiser, Maik Novotny, 271 Seiten, Album Verlag, Wien 2025, S. 31-38. ISBN 978-3-85164-219-3

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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