Simple Smart Buildings

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[0:00]Gedanken zur Stellplatzdichte Im Muster 22 schreibt Christoph Alexander einen sehr lapidaren Satz. Ich zitiere, es ist ganz einfach, wenn die Fläche für das Parken zu groß wird, zerstört sie das Land.

[0:20]Und ich denke, mit diesem Satz sagt eigentlich Alexander schon sehr viel aus. Es ist natürlich ein uraltes Thema, wie gehen wir mit dem Individualverkehr um und vielleicht wiederhole ich auch hier jetzt Gedanken und es ist für Sie als Hörerin, als Hörer vielleicht schon langweilig. Aber ich denke trotzdem, wir werden nicht drum herum kommen, um uns wirklich Gedanken zu machen, wie gehen wir mit den parkenden Autos um. Es ist ja eine Binsenweisheit, dass der ruhende Verkehr den fließenden Verkehr anzieht. Das heißt, je mehr Parkplätze, je mehr Parkflächen wir schaffen, desto mehr Ziel- und Quellverkehr findet zu diesen Parkplätzen statt. Es gibt ja diesen berühmten Ausspruch von Albert Einstein, dass man Probleme nicht mit der Strategie lösen kann, die zu den Problemen geführt hat. Und ich glaube, auch hier gilt es, diese Überlegung anzustellen.

[1:39]Man wird das Problem des Individualverkehrs nicht lösen können, indem man immer mehr Parkflächen anbietet. Dieses ständige Wachsen der Parkflächen nehme ich schon auch in meiner Lebensumgebung wahr, wie in den letzten Jahren Carports entstanden sind. Das heißt, wo in den 1960er, 70er Jahren bei einem Haus vielleicht ein Auto und das in einer Garage geparkt war, so verändert sich das. Und jetzt kommen pro Haushalt zwei, drei, vier Autos und diese Autos brauchen natürlich Platz. Ich rede mich jetzt insofern leicht, weil ich selbst nicht einmal einen Führerschein besitze und nicht mit dem Auto fahre. Also für mich persönlich sich dieses Problem nicht stellt. Darüber hinaus ist das Haus in Hallstatt, in dem ich lebe, ohnehin nicht mit dem Auto erreichbar. Das heißt, meine Frau besitzt ein Auto fährt mit dem Auto und dieses Auto ist in etwa 250 Metern Entfernung vom Haus geparkt und schafft natürlich dort das Problem eines herumstehenden Autos.

[2:56]Christopher Alexander hat schon in den 1970er Jahren diese Problematik erkannt und er nähert sich diesem Thema, denke ich, von einer sehr interessanten Seite. Er versucht empirisch festzustellen, wie viele Autos, wie viele parkende Autos hält eine bestimmte Fläche aus. Und das macht er tatsächlich empirisch mit seinen Mitarbeitern, mit seinen Freunden, die gehen durch die Stadt, in dem Fall ist es Oregon in Ohio, und schauen, welche städtischen Räume, welche Flächen erleben sie noch als schön und wo ist der Kipppunkt. Ab welchem Prozentsatz Autos empfindet man dann eine Gegend als nicht mehr schön.

[3:49]Interessanterweise kommen Christoph Alexander und seine Kollegen zu einem Wert von etwa 9%. Das heißt, wenn mehr als 9% der Flächen von parkenden Autos okkupiert werden, dann erlebt man diesen Raum nicht mehr als schön. Und wenn man Räume nicht mehr als schön erlebt, dann passiert ja noch etwas anderes. Dann fühlt man sich in diesen Räumen nicht mehr wohl und ist nicht mehr gern dort. Das heißt, wenn der ruhende Verkehr, wenn die Autos zu viel einer Gegend beanspruchen, verliert die Gegend die Qualität für menschliche Interaktion noch gut geeignet zu sein. Und es ist ein ganz wichtiger Gedanke, der sich in vielen Mustern Alexanders durchzieht und ich denke zum Beispiel gerade das Muster 205, der gebaute Raum soll dem sozialen Raum folgen, ist für mich wirklich so ein Pivot, ein Schlüsselmuster. Und umgekehrt folgt natürlich die soziale Aktivität gebauten Mustern. So wie wir bauen, so wie wir unsere Städte anlegen, so wie wir unsere Häuser planen, so passiert auch die soziale Interaktion. Mir fällt das Beispiel ein, als ich noch in Wien lebte.

[5:16]Im Zentrum von Wien gibt es einen wunderschönen Platz, das ist der Josefsplatz. Der Josefsplatz liegt zwischen der Augustinerkirche, der Nationalbibliothek.

[5:30]Und Teilen der Hofburg, den sogenannten Redoutensälen und Heißt Josefsplatz, weil im Zentrum des Platzes ein Reiterstandbild von Kaiser Josef II.

[5:39]Steht. Und da gab es einen sehr dramatischen Brand, wo diese Redoutensäle, die einen Teil der Hofburg ausmachen, in einer Brandkatastrophe zum Opfer fiel. Es war das Problem auch, dass die Feuerwehr wegen der vielen parkenden Autos nicht zufahren konnte. Die Konsequenz war, dass nach dem Brand, nach der Restaurierung der Redoutensäle, ein sehr restriktives Parkverbot erlassen wurde und dass dieser Josefsplatz, dieser zentrale innerstädtische Platz, der ursprünglich vollgeparkt war.

[6:15]Auf einmal autoleer war. Für mich war das dann als Fußgänger wirklich ein Erlebnis, diesen autofreien Josefplatz, einen autofreien innerstädtischen Platz zu erleben. Und da ist mir erst bewusst geworden, welche Qualität Räume gewinnen, wenn keine Autos mehr dort parken. Übrigens, es haben sich die Autos wieder vorgedrängt. Das heißt, wenn man heute den Josefplatz betritt, wird man wieder eine ähnliche Autodichte sehen, wie vor dem Brandtritt. Das heißt, der Wille der Autobesitzer, möglichst nahe zum Arbeitsort zu fahren und natürlich dann das Privileg eines repräsentativen innerstädtischen Parkplatzes zu besitzen, ist unheimlich groß und ist ein unheimlicher Druck. Und manchmal denke ich auch, wenn ich in der Gemeinde, in der Kommunalpolitik, wenn da die Diskussion um Parkplätze, um Stellplätze geht.

[7:12]Dass es hier um etwas ganz, ganz Persönliches geht. Also vielleicht jetzt überspitzt formuliert, die oberste Hierarchie besitzt das Auto und der Parkplatz, dann kommt der Hund und dann die Kinder. Das ist natürlich völlig übertrieben. Das heißt, da was zu verändern, da trifft man Menschen wirklich in den innersten Nerv und geht daran. Ich denke auch, diese Rückeroberung oder diese Reokkupation des Rundenverkehrs.

[7:40]Des Josefsplatzes zu Wien, Das ist für mich ein Beispiel, eigentlich welche Energie in der Erfahrung. Aber wenn eben jetzt diese vielen Autos da sind, dann ist dieser öffentliche Raum verloren. Und ich glaube, niemand von uns sitzt sich gemütlich auf einem Parkplatz, um dort einen Kaffee zu trinken. Jetzt muss man dazu sagen, ja, eine gewisse Anzahl Autos ist möglich und ganz interessant scheint dieser Prozentsatz zu sein, den hier Alexander und seine Kollegen intuitiv ermittelt haben, diese 9%. Das heißt, wenn man es schafft, unter diesen 9% zu bleiben und da ist aber auch noch eine Überlegung, das Gebiet, das man betrachten soll, darf natürlich nicht zu groß sein. Das heißt, man darf jetzt nicht eine riesige Fläche von mehreren Quadratkilometern betrachten, dort eine Fläche suchen.

[8:34]Die man dann mit Autos vollstopft und der Rest ist dann leergeräumt, dass es hier dann im Durchschnitt auch nur 9% Autos gibt. Nein, das sollen möglichst kleine Flächen sein. Also Alexander sagt, maximal fünf Hektar soll der betrachtete Raum sein. Und dann unterteilt man größere Räume eben in so kleinere Flächen. Und jede dieser maximal fünf Hektar großen Flächen sollte dann maximal neun Prozent Autos. Das sind dann etwa bei dem durchschnittlichen Platzbedarf der Autos so zwischen 25 und 30 Autos. Und da merkt man, das sind natürlich dann relativ wenig Autos. Und wenn man jetzt diese Forderung sehr radikal umsetzen würde, würden sich natürlich unsere Städte entsprechend verändern.

[9:23]Funktionieren tut das natürlich nur, wenn wir bereit sind, wirklich viel mehr den öffentlichen Verkehr zu nutzen und eben auf die Bequemlichkeit. Aber es ist, glaube ich, nicht nur Bequemlichkeit. Da spielen auch noch sehr viele andere, sehr stark emotionale Komponenten eine Rolle. Es ist sehr schwierig. Eine andere Frage, die Alexander in dem Muster 22 noch andiskutiert, sind die Tiefgaragen. Auf den ersten Blick erscheint natürlich eine Tiefgarage als eine Möglichkeit, die Autos aus dem Blickfeld zu verbannen. Ja, das stimmt. Er sagt, das könnte in ganz extremen Fällen wäre für ihn die Tiefgarage denkbar, aber nur dann, wenn die Tiefgarage die Gegend nicht verändert. Das heißt, ein Platz, ein Park, wo vorher Bäume standen, dort eine Tiefgarage zu machen, wo dann die Bäume natürlich gefällt werden müssen und wo auch keine tiefwurzelnden Bäume, große Bäume mehr gepflanzt werden konnten. Nun, dort ist natürlich die Tiefgarage ein ganz massiver Eingriff und nicht okay.

[10:31]Alexander schlägt möglicherweise unter einer Straße eine Tiefgarage, unter einem Tennisplatz. Das wären Flächen, wo für ihn eine Tiefgarage noch denkbar wäre. Allerdings wieder mit dem Problem, dass ja die Tiefgarage auch wieder fließend verkehrt sich zieht, dass natürlich hier auch wieder Einfahrten, Abfahrten, Ausfahrten notwendig sind, die natürlich auch wieder die eigentlich gebaute Struktur massiv verändern, durch den Fliesenverkehr eine Gegend quasi beschleunigen und der langsameren menschlichen Nutzung, der langsameren menschlichen Interaktion wieder entziehen. Das Gleiche sind natürlich Tiefgaragen und Häuser. Ich glaube, ich habe es in irgendeiner Episode schon einmal angesprochen, die Raster, die Tiefgaragen-Raster sind natürlich stellplatzorientiert, das heißt die stützen.

[11:33]In einer Tiefgarage werden für die Autos optimiert. Und das heißt, die Häuser, die dann darüber gebaut werden und die Fundamentstruktur der Tiefgarage muss natürlich von den darauf gebauten Häusern übernommen werden, damit es sich statisch ausgeht. Das heißt, der Tiefgaragenraster setzt sich in die Häuser fort und dann wird letztlich den menschlichen Behausungen, die über der Tiefgarage liegen, der Raster, die Struktur der Autor aufgezwungen. Auch hier wieder wird der soziale Raum für die Menschen eigentlich vom Auto determiniert. Und ich glaube, wenn wir wieder lebenswerte Städte wollen, wenn wir wieder Orte wollen, wo menschliche Interaktion passiert, dann müssen wir unter diese faszinierende 9%-Marke der Stellplätze von Alexander gehen. Ich glaube, es ist ziemlich einfach. Wenn wir uns auf unser Gefühl, auf unser Gespür verlassen, Orte, wo wir uns wohlfühlen, wo wir gern durchgehen, Orte, wo wir verweilen, das sind sicher nicht Orte, in denen mehr als 9% der Fläche vom ruhenden Verkehr beansprucht ist.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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