Alte Häuser bilden einen Schatz an Erfahrungswissen, Handwerkskunst und Konstruktionen, die funktionieren. Sie sind eine wertvolle Ressource. Mein Name ist Friedrich Idam. Ich bin Spezialist für historische Bauten. Und das ist mein Podcast.
Gedanken zur Exnovation.
Gerade jetzt, in Zeiten der Krise der globalen Erwärmung, hört man von vielen Seiten den Ruf nach Innovationen, nach technischen Erneuerungen, die die Nutzung der vorhandenen Ressourcen effizienter ermöglichen und damit zu einer Einsparung des Ressourcenverbrauchs führen sollten. Ob diese Strategie wirklich zielführend ist, steht aber gar nicht so eindeutig fest. Um die Strategie der Innovation wirklich valide überprüfen zu können, lohnt sich ein Blick in die Technikgeschichte. Innovationen begleiten ja die technische Entwicklung seit Anbeginn von menschlichen Techniken und seit Anbeginn der menschlichen Technik steigt der Ressourcenverbrauch des Menschen. Ein sehr spannendes Schlaglicht auf technische Innovation und Technik. Folgen bietet ein Blick in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. In den etwa 1760er Jahren wurde in England eine neuartige Dampfmaschine eingeführt. Diese Dampfmaschine, die vom berühmten Ingenieur James Watt entwickelt wurde, löste die Dampfmaschine Newcomens ab. Man möge sich vergegenwärtigen Die Dampfmaschine Newcomones hatte einen Wirkungsgrad von gerade einmal einem halben Prozent. Also ein halber Prozent der eingesetzten thermischen Energie konnte durch diese Maschine in mechanische Energie umgewandelt werden. Watt schaffte eine Verdreifachung des Wirkungsgrades und damit natürlich eine Reduktion des Kohle Verbrauchs um 2/3. Würde man jetzt diese Standardtheorie der Innovation anwenden, könnte man wohl erwarten, dass der Kohleverbrauch in England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eben genau um diese 2/3 hätte sinken sollen. Das Gegenteil war der Fall und es gab bereits in den 1860er Jahren eine Publikation von einem Autor namens Jevson.
Und der stellte die Coal-Question die Kohle Frage und er untersuchte die Fragestellung warum? -Obwohl eine Dampfmaschine mit einem dreifach besseren Wirkungsgrad zum Einsatz kam, der Kohleverbrauch stieg und die Antwort auf diese Frage ist, wenn man sich so recht überlegt, ja gar nicht so absurd. Mit der Effizienzsteigerung der Dampfmaschine wurden deren Betriebskosten natürlich ebenfalls um 2/3 billiger und diese wesentlich günstigeren Betriebskosten führten dazu, dass eben wesentlich mehr Dampfmaschinen in wesentlich mehr Bereichen eingeführt wurde. Natürlich auch dort, in Bereichen, wo zuvor die Dampfmaschine noch unwirtschaftlich war, wurde sie auf einmal wirtschaftlich. Es führte zu einer starken Verbreitung dieser Technologie und letztlich stieg dadurch der Kohleverbrauch. Übrigens in diesem Werk Jevsons ist eine sehr interessante Prognose auch angeführt. Jevson prognostiziert den englischen Kohleverbrauch und auch die Erschöpfung der englischen britischen Kohlevorkommen in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Er prognostiziert wohlgemerkt 1865, dass mit dem Niedergang der Kohleindustrie auch die Stahlindustrie in England niedergehen würde. Und genau diese Prognose ist eingetroffen, wenn man sich eben Jevsons Paradox oder wie es auch genannt wird, der sogenannte Rebound Effekt, wenn man sich den bei anderen Entwicklungen ansieht. Es gibt Untersuchungen, dass etwa die Umstellung der LED Beleuchtung in Las Vegas nicht zu einer Reduktion des Energieverbrauchs, sondern zu einer Erhöhung des Lichts geführt hat. Oder ganz simpel Wenn wir die Entwicklung der Kraftfahrzeuge betrachten, da wurde zumindest ab den 1960 er Jahren durch Windkanal Tests immer mehr darauf geachtet, eine aerodynamische Form der Kraftfahrzeuge zu entwickeln und somit den Luftwiderstand zu reduzieren.
Ja, das ist auch gelungen. Der Luftwiderstand ist reduziert, aber der Preis für diese höhere Aerodynamik oder bessere Aerodynamik sind natürlich wesentlich flachere Frontscheiben. Durch diese flacheren Frontscheibe fällt aber ungleich mehr Sonnenenergie in das Kraftfahrzeug als durch steile Frontscheiben. Und dadurch wird natürlich die Klimaanlage wesentlich stärker beansprucht als bei steilen Frontscheiben. Das heißt der aerodynamische Energiegewinn geht wiederum durch den Energieverlust höherer Leistungen verloren. Und so ist es in vielen Bereichen. So ist es etwa auch bei Bildschirmen. Natürlich braucht ein LED Bildschirm pro Flächeneinheit, also etwa pro Quadratzentimeter, wesentlich weniger Energie als ein klassischer Röhrenbildschirm. Aber was ist passiert? Ja, die Bildschirme sind größer geworden und die Bildschirme sind mehr geworden. Und in Summe verbrauchen wir für Bildschirme zurzeit wesentlich mehr Energie als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Wenn wir uns die Energieverbrauchs-Entwicklung seit den sogenannten Ölpreiskrise oder seit dem Ölpreisschock zu Ende der 1970er Jahre ansehen. Seit dieser Zeit wird in den westlichen Gesellschaften Energie gespart. Wir sparen Energie und wenn wir uns die Entwicklung des Energieverbrauchs ansehen, der Energieverbrauch steigt dennoch, trotz des Energiesparen. Also ist hier durchaus kritisch zu hinterfragen, ob Innovation, mit, und das sei hier hinzugefügt, Innovation mit mangelnder Technikfolgenabschätzung eine ganz, ganz wichtige Disziplin neben der Entwicklung von Innovationen ist natürlich deren möglichst breite Folgenabschätzung.
Und das passiert natürlich sehr häufig nicht. Wenn ich jetzt genau über die gegenteilige Strategie nachdenke, also nicht Innovation, nicht die Einführung von etwas Neuem, sondern Exnovation, die Wiedereinführung historischer Technologien, so habe ich bezüglich der Technikfolgen natürlich einen riesigen Vorteil, denn die historischen Techniken und deren Folgen liegen als realer Befund vor. Wir wissen, welche technischen Innovationen ungünstig waren. Also ich werde sicher nicht dafür plädieren, Quecksilberhaltige Farbpigmente, wie das Schweinfurter Grün, wieder einzuführen, weil wir da einfach aus der Technikfolgenabschätzung wissen das ist ein Farbpigmente, das möglicherweise einen interessanten Grünton ergibt, aber der Preis, die Quecksilbervergiftung, natürlich viel zu hoch ist. Genauso wird es mit Feuer-Vergoldung mit Amalgamisierungen gehen. Aber genau das ist ja der Vorteil dieser historischen Techniken. Wir wissen über deren Folgen sehr gut Bescheid. Und da, wenn ich jetzt ans Bauwesen denke, ist für mich eine dieser spannenden Technologien das Bindemittel Kalk. Es ist ja allgemein bekannt, wie hoch der CO2 Ausstoß der weltweiten Zementindustrie ist. Bei der Zement Herstellung wird nicht nur sehr viel CO2 ausgestoßen, weil eben der Brennprozess des Zements, des Portland-Zement-Klinkers auf etwa 1400 Grad sehr energieintensiv ist, sondern darüber hinaus auch der Hauptbestandteil des Portland-Zements Kalkstein ist. Und bei dem Brennprozess aus dem Kalkstein, aus dem Kalziumkarbonat CO2 ausgetrieben wird, also sowohl durch die Energiebereitstellung als auch durch den chemischen Prozess wird durch die Zementindustrie wesentlich mehr CO2 ausgestoßen als durch den gesamten globalen Flugverkehr.
Und eine alternative Technologie ist das Bindemittel Kalk. Kalk ist natürlich auch Kalkstein. Es wird auch wie beim Zement der Kalkstein gebrannt. Es wird auch wie beim Zement beim Brennprozess CO2 ausgetrieben. Allerdings wird bei wesentlich niedrigerer Temperatur gebrannt. Also Kalk wird etwa um die 900 Grad gebrannt. Also man braucht schon wesentlich weniger Brennstoff. Und jetzt kommt's: Das Spannende bei Kalk ist, dass seine Abbindung durch die Aufnahme von CO2 geschieht, das heißt, wenn Kalk anbindet carbonatisiert dieses Bindemittel und nimmt dauerhaft aus der Atmosphäre wieder CO2 auf. Und das ist eine Technologie, die es schon seit der Römerzeit gibt. Der Name Kalk kommt vom lateinischen Calcium und wir kennen von Kalk sehr, sehr genau die Technikfolgen seine Haltbarkeit und wissen über dieses Bindemittel sehr gut Bescheid. Und da denke ich, das wäre der Fall einer zielführenden Exnovation, dass ich dort versuche, wo Zement als Bindemittel durch Kalk ersetzt werden kann auch diese Exnovation mache, diesen Schritt zurück gehe. Ich bin davon überzeugt, die Zukunft der Technologien, die Zukunft des wirklichen Energiesparens wird zu einem sehr hohen Maß in gezielten Exnovationen liegen. Zur Rückkehr zu Technologien, von denen wir bereits sehr, sehr genau wissen, welche Folgen sie haben und wie viel Energie sie tatsächlich verbrauchen.