Simple Smart Buildings

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Friedrich Idam:

Heute bin ich mit Simple Smart Buildings unterwegs. Ich bin zu Gast bei Erhard Rathmayr in Traunkirchen. Erhard Rathmayr ist Architekt. Er hat in Graz Architektur studiert, hat dann das Büro INNOCAD mitbegründet, ist aber dann nach Australien ausgewandert, nach Brisbane, betreibt dort das Büro REFRESH* STUDIO FOR ARCHITECTURE. Erhard Rathmayr lebt etwa das halbe Jahr in Australien, das halbe Jahr in Österreich.

Erhard, du blickst auf zwei ganz unterschiedliche Baukulturen. Und zur Zeit deines Studiums in den 1980er Jahren in Graz, da war es ja vor allen Dingen das Thema, Maßnahmen gegen die Kälte zu ergreifen, die Kälte zu bekämpfen. Jetzt arbeitest du in Australien, wo eigentlich das Thema genau umgekehrt ist, wo es gilt, die Überhitzung der Gebäude zu verhindern.

Erhard Rathmayr:

Danke für die Einladung, Fritz. Es ist schön, mit dir diesen Podcast zu gestalten. Das ist richtig, so wie du das darstellst. Ich bin in Graz auf die TU Graz gegangen und habe dort Architektur studiert. Das war die Zeit, wo Österreich aus der Postmoderne herauskam. Auf der Uni in Graz wurde damals eher die Moderne wieder proklamiert oder auch der Dekonstruktivismus. Man hat damals sehr stark auf technische Lösungen gesetzt. Das heißt, ein großes Augenmerk ist auf Strömungen gerichtet worden, die virtuelle Betrachtungsmodelle mit ihm begriffen haben. Der Philosoph Vilém Flusser. war ganz zentral, ins Universum der technischen Bilder, sein Standardwerk. Es ist sehr viel um informierte Oberflächen gegangen, das Leben im virtuellen Raum versus das Leben in der wirklichen Welt und wie wir die Uni verlassen haben, haben wir definitiv geglaubt, dass technische Lösungen sehr, sehr zentral sein werden, um eine Behaglichkeit in Wohnungen zu gewährleisten. Ich habe dann während des Studiums das Büro INNOCAD mit drei Studienkollegen gegründet. Wir haben fast zehn Jahre zusammengearbeitet, bis ich nach Australien gegangen bin. Und interessanterweise war es dann so, dass Dinge, die ich in Österreich gelernt habe, waren in Australien trotzdem sehr hilfreich. Aber in Australien steht die Sonne im Norden und nicht im Süden. Das heißt, in der Ausrichtung sind trotzdem Ähnlichkeiten dort zu finden, obgleich das sehr anders aussieht. Und wie ich in Australien angekommen bin, sind die gerade aus den 80er-Jahren-Prinzipien herausgekommen, wo sie nur mechanisch gekühlt haben. Das heißt, nachdem Energie so billig war, ist die Standardlösung dort das Air Condition System gewesen, wo man hat einfach starke Maschinen eingebaut und die Gebäude innen sehr unterkühlt, um sie behaglich zu machen.

Friedrich Idam:

Die Frage, die sich für mich dabei stellt, ist maschinelle, mechanische Kühlung wirklich behaglich? Also einerseits merke ich ja bei diesen Kühlanlagen immer die Tendenz zur Übernutzung. Also ich erlebe oft auch in Autos, wenn jemand eine Klimaanlage im Auto betreibt, ist oft die Tendenz, sie eigentlich stärker einzustellen, als es behaglich ist. Hast du das bei den Häusern in Australien ähnlich erlebt?

Erhard Rathmayr:

Das stimmt, absolut. Ich habe natürlich sehr intensiv mit Leuten zusammengearbeitet, die solche Systeme auslegen und das machen wir immer noch. Jedoch ist es so, dass es hauptsächlich bei Nutzerfehler sind. Im Englischen definieren sie da eine sogenannte Dry-Bulb Temperature. Das heißt, das ist die Temperatur, bei der es keine Kondensation mehr gibt. Und die liegt üblicherweise bei 26 bis 27 Grad. Um diese Temperatur zu erreichen, braucht man sehr wenig Kühlung. Es ist halt ähnlich wie in Österreich, wo 21 Grad oder 20 Grad behaglich sind und die Wohnungen im Winter auf 25 geheizt werden. Ähnlich ist es in Australien, wo 25, 26 Grad behaglich wären und die Wohnungen auf 21 gekühlt werden. Man kommt dann in diese Wohnungen rein und es ist wie wenn man in einen großen Kühlschrank reingeht, wo man von so einer Kältewelle erfasst wird und typisch ist es so, dass die Europäer mit dem sehr schlecht zurecht kommen, während die Australien dieses angenehm empfinden.

Friedrich Idam:

Ich finde es ja sehr spannend, dass du eine sommerliche Temperatur von 25 bis 26 Grad Celsius als behaglich beschreibst. Es gibt da offenkundig einen kulturellen Unterschied. Ich denke, aktuell in Österreich würde man eine Sommer-Innenraumtemperatur in diesem Bereich nicht mehr als behaglich definieren.

Erhard Rathmayr:

Das stimmt. Also es ist so, dass wir aufgrund der Zivilisation dazu tendieren, dass wir über das Ziel hinausschießen. Das heißt, sehr viele meiner australischen Freunde, wenn die nach Österreich kommen im Winter, die kommen ja zum Skifahren, dann kommen die zurück und die beklagen sich dann, dass alle Räume überheizt sind und unterlüftet. Und das Standard comment ist, jetzt komme ich endlich nach Österreich, ich will Schnee, ich will Skifahren, ich will es genießen und dann sind die Räume so unangenehm überheizt, dass es nicht kühl ist. Diese Hitze habe ich ein ganzes Jahr zu Hause, ich brauche das nicht. Und das Lustigste für mich war, wie ein Freund von mir sich darüber beklagt hat, dass sogar die öffentlichen Busse und Züge beheizt sind, weil er gehofft hat, dort wäre es kühl. Das ist wirklich genau diametral gegenüber zu dem, wie der Europäer nach Australien oder Amerika kommt und es nicht versteht, dass alles runterkühlt ist. Das heißt, Behaglichkeit, da gibt es meiner Meinung nach einen objektiven Wert und einen subjektiven Wert. Und der subjektive Wert ist von der Örtlichkeit geprägt. Das heißt, wenn es wo immer kalt ist, dann wollen die Leute überheizen, weil sie Wärme schätzen. Und wenn es wo immer heiß ist, dann schätzen sie die Kälte.

Friedrich Idam:

Ich habe ja auch noch ein Behaglichkeitsproblem bei diesen klassischen Klimaanlagen, bei diesen Air Condition, dass ja sehr viel Luft bewegt wird. Einerseits sorgt das natürlich für entsprechende Frischluft, so wie du vorher berichtet hast, der Freund, der sich beklagt hat, dass in Österreich die Räume zu wenig gelüftet sind. Also Frischluft kommt ja genug, aber ich denke, für mein Gefühl ist es dann zu viel bewegte Luft und ich empfinde diese bewegte Luft unangenehm. Also mir geht es zum Beispiel auch so bei der Klimaanlage im Auto, auch wenn es heruntergekühlt ist, sich die Luft bewegt, ist ja nur die bewegte Luft kalt, während die Infrarotstrahlung, die über die Frontscheibe ins Auto eindringt, die heizt mich ja trotzdem noch auf. Da gibt es ja fast so einen Widerspruch zwischen der Strahlungswärme und der Lufttemperatur.

Erhard Rathmayr:

Das stimmt, stimmt absolut. Es ist auch so, dass so wie die Australier ihre Klimatisierungssysteme benutzen, ist es für sehr viele Europäer auch schwierig. Oft sind Freunde und Familie, die zu Besuch sind, damit überfordert. Und die verkühlen sich, weil sie diesen Luftzug nicht gewohnt sind. Für mich selber kann ich zugeben, dass ich das Problem am Anfang auch hatte. Jetzt, nach über 20 Jahren, ist es so, dass ich diesen Luftzug genieße, ähnlich wie die Australier. Das heißt, ich bin australischer geworden.

Friedrich Idam:

Du hast dich an eine Kultur letztlich akklimatisiert und verstehst aber auch noch, Und ich denke, das Spannende an deiner Situation ist ja, dass du in beiden Kulturen zu Hause bist. Dass du einerseits hier die österreichische Klimatisierungskultur kennst und lebst. Warst du auch in einem gewissen Sinn Botschafter dieser Kultur? Hast du versucht, baukulturelle Erfahrungen, die du in Österreich erworben hast, nach Australien zu tragen?

Erhard Rathmayr:

Das stimmt, ich bin, man kann sagen, ich bin in beiden Kulturen zu Hause. Man könnte aber auch sagen, ich bin in keiner mehr zu Hause. Das heißt, ich bin vielleicht ein bisschen zu österreichisch für die Australier und vielleicht ein bisschen zu australisch für die Österreicher geworden. Das heißt, als ich in Australien zu arbeiten begonnen habe, da habe ich natürlich die Prinzipien, die wir auf der Universität gelernt haben, versucht in Australien anzuwenden. Und sehr viele meiner ersten Designs, die haben dann klassische Prinzipien verwendet, die eigentlich Standard sein sollten. Das heißt, thermische Masse. Die Australier machen sehr viel Timber framing, also Holzbauten, die wie Baracken sind. Mit dem Einbringen von etwas thermischer Masse funktionieren die besser. Natürliche Lüftung, das heißt jeder Schlafraum muss quer durch Lüftung haben, damit man passive Lüftungssysteme haben kann. Beschattungselemente, die wir mittlerweile über moderne CAD-Systeme so dimensionieren können, dass eine Beschattung über einem Fenster die Sommersonne draußen hält, dabei die Wintersonne reinlässt. Die Böden so auszulegen, dass die Wintersonne auf einen harten Boden fällt, damit man die Winterwärme bekommt. All diese Dinge haben wir über die über 20 Jahre, die ich in Australien praktiziere, in unseren Büros standardisiert. Und es ist so, dass der Großteil unserer Gebäude so funktioniert, dass sie kaum eine Klimatisierung benötigen. Natürlich ist es so, dass vor allem im Sommer, wenn die nächtlichen Temperaturen teilweise an die 28, 30 Grad sind, man auch die Schlafräume kurz klimatisiert, bevor man schlafen geht. Trotzdem, wir haben Messungen gemacht mit Energietechnikern in Australien und die Gebäude, die wir dort entworfen haben, die tendieren dazu sehr, sehr gut zu funktionieren. Und man kann es auch einfacher machen, die Leute haben sehr geringe Stromrechnungen. Das ist ein Zeichen, dass sie wenig Kühlung brauchen. Es ist sehr interessant für mich, jetzt nach Europa zurückzukommen. Ich habe hier mir selber ein Objekt gekauft, ein historisches Objekt. Und ich merke, dass aufgrund einer Klimaveränderung die Österreicher mehr mit dem Klima kämpfen. Das heißt, es wird wahrgenommen, dass die Sommer heißer sind. Und sehr viele Leute, die ich kenne, reden jetzt davon, sich ein Klimatisierungsgerät einzubauen. Und ich bin etwas verwundert, warum sehr wenige eigentlich diese passiven Maßnahmen verfolgen möchten, die wir in Australien haben.

Friedrich Idam:

Wir sitzen ja hier in einem Gebäude, das im späten 19. Jahrhundert errichtet wurde, hier in einem Baukörper mit massiven Ziegelwänden. Der Bau besitzt einen längsrechteckigen Grundriss und es besteht hier eine sehr lange Südfassade, was natürlich in Europa bedeutet: starke Besonnung. Und wenn ich jetzt zu diesem Südfenster blicke, sehe ich vor dem Fenster, also es sind klassische Doppelfenster, Kastenfenster, dürften den Beschlägen nach etwa in den 1920er Jahren eingebaut worden sein und vor diesem Fenster sind außenseitig Jalousien angeschlagen. Wie benutzt du diese Jalousien? War das für dich ein Element, das du mit einer gewissen Selbstverständlichkeit benutzt? War das neu vom Handling für dich?

Erhard Rathmayr:

Meine Lebensgefährtin ist auch Architektin und sie hat ein Jahr in Barcelona gelebt. Und diese Jalousien oder Balken, wie wir sie auch nennen, wenn man die verstanden hat, dann, dann ist da eine Logik enthalten, die so simpel ist, dass es amüsant ist, dass diese so wenig benutzt werden. Denn indem man die Öffnung einstellen kann, kann man den Sonneneintrag steuern. Und wenn es ein Gebäude wie das unsere, das sehr viel thermische Masse hat, wenn man den UV-Eintrag kontrollieren kann und die Balken haben aber Lamellen, wo die Luft durch kann, Dann kann man belüften und die Sonne draußen halten. Man kann aber auch die Fenster dahinter zumachen und auch die Luft draußen halten. Das heißt, im Sommer, im Hochsommer, haben wir die Fenster geschlossen während des Tages und die Balken auch geschlossen. Damit haben wir keinen Hitzeeintrag und auch die heiße Luft kommt nicht ins Gebäude. Und die kühlen Gemäuer halten die Schlafräume kalt. Das ist sehr einfach. Im Frühling ist es so, dass wir die Fenster offen haben und nur die Balken geschlossen, um das Überhitzen zu verhindern. Und im Winter sind die Balken immer offen, um die Temperatur nach innen zu bekommen. Das heißt, das ist die einfachste Möglichkeit, die Temperatur zu kontrollieren ohne einen maschinellen Aufwand und mit bester Durchlüftung der Räume.

Friedrich Idam:

Hast du dieses System, wie du es nennst, also in Graz, in der Steiermark nennt man ja diese Jalousien, Fensterbalken in Oberösterreich heißen sie ja auch Fensterläden, wobei Fensterläden teilweise auch wirklich geschlossene, hölzerne Läden sind, also ohne diese Lamellen. Hast du diese Idee der Beschattung der Gebäudekühlung, so wie du es jetzt beschrieben hast, hast du diese Idee nach Australien exportiert? Hast du ähnliche Systeme eingebaut?

Erhard Rathmayr:

Absolut. In Australien ist es so, dass wir, und der Großteil unserer Gebäude wird ganz zu Beginn mit einer Sonnenanalyse versehen. Und dort wird entschieden, wie die verschiedenen Seiten behandelt werden. Das heißt, im Süden haben wir üblicherweise nur einen Überstand, auf Englisch nennen wir das Awning, das heißt, das ist eine horizontale, auskragende, üblicherweise das Metall oder Lamelle und da braucht man natürlich nichts, weil im Süden die Sonne nie ist in Australien. Der größte Hitzeeintrag kommt in Australien vom Westen, etwa 60 bis 70 Prozent. Das heißt, im Westen haben wir auch diesen Überstand beim Fenster und dazu einen beweglichen Sonnenschutz. Und der ist üblicherweise auch aus Holz. Der ist üblicherweise auf einem drehenden oder schiebenden Mechanismus gebaut und oft automatisiert. Und im Norden ist es so, da gibt es meistens nur den Überstand, weil im Norden möchten wir die Sonne im Winter ins Haus bekommen. Und der Überstand ist groß genug, dass im Sommer die Sonne nicht reinkommt. Und im Osten ist es manchmal ähnlich wie im Westen, aber aufgrund von Kostengründen wird manchmal auf die Beschattung verzichtet. Es gibt nur einen Überhang.

Friedrich Idam:

Jetzt muss ich ganz naiv fragen, geht in Australien die Sonne im Westen auf?

Erhard Rathmayr:

Nein, die Sonne geht im Osten auf, sie geht nur in die andere Richtung. Das heißt, es ist sehr, sehr verwirrend. Ich reise ja dann einmal im Jahr hin und her und dann geht die Sonne in die andere Richtung. Das ist ähnlich wie auf der anderen Richtung im Autofahren. So wandert die Sonne in die andere Richtung. Gleichfalls dreht sich das Wasser im Ausguss in die andere Richtung. Und lustigerweise ist auch die Fahrradbremse auf der anderen Seite. Das heißt, auch das hatten wir leider zur Kenntnis nehmen müssen, in einer sehr unangenehmen Art und Weise.

Friedrich Idam:

Jetzt habe ich noch eine vertiefende Frage zum Thema der mechanisierten Kühlung: Gibt es in Australien auch Systeme der Bauteilkühlung, also zum Beispiel Kühldecken, wo man ja nicht so starke Luftströmungen erzeugt wie bei der klassischen Air Condition, dass man ein Kühlmedium, Wasser durch die Decke schickt, die Bauteiltemperatur reduziert und so die kühle Luft von der Decke zu Boden sinkt? Oder sind diese Bauteilkonditionierungssysteme aufgrund der leichten Bauweise in Australien nicht üblich?

Erhard Rathmayr:

Sind nicht üblich. Die australischen Bauwerke sind technisch, auch bautechnisch, den österreichischen weit unterlegen. Die Australier haben nicht dieses komplexe Fußbodensystem, das wir in Österreich haben, welches mit Trittschall-Dämmung arbeitet. Die Australier verwenden mehr natürliche Systeme im Außenbereich, das heißt, ich glaube, dass die Australier vor allem im sogenannten Landscaping sehr, sehr, sehr hervorragend sind. Und man verwendet klassische Systeme, die man im Mittleren Osten auch findet, wo strategisch gesehen Brunnen und auf Englisch nennen wir es diese Water features, platziert werden, um in Höfen ein Mikroklima zu schaffen, welches dann die Gebäude kühlt. Das heißt, typisch ist es so, wir würden zum Beispiel bei einem Einfamilienenhaus, wir machen einfach so genannte Courtyard-Hauses und da gibt es einen Swimmingpool und der Swimmingpool ist im Courtyard und aufgrund dieser Verdunstung der Wasseroberfläche ist es dann in diesem Courtyard kühler. Das funktioniert sehr gut.

Friedrich Idam:

Und das ist auch so angelegt strömungstechnisch, dass dann der Wind… Gibt es – nehme ich an - auch eine vorwiegende Windrichtung?

Erhard Rathmayr:

Stimmt, ja.

Friedrich Idam:

…und dass dann das Gebäude so angelegt ist, hast du gezielt die Windströmung über die Wasserfläche Richtung Gebäude lenkst.

Erhard Rathmayr:

Genau. Das heißt, typisch kommen bei uns die, die Nachmittagsbriesen aus dem Nordosten, das heißt, die Gebäude sind so angelegt, dass sie diese Brisen erfassen. Wir haben im Winter die sogenannten Westerlies, da kommen die kalten Winde aus dem Westen. Das heißt, unsere Gebäude sind meistens so angelegt, dass man den Westen völlig abschließen kann, um nicht diesen Luftstrom zu kriegen. Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass der Australier in Brisbane, wo ich wohne, neun bis zehn Monate des Jahres den Großteil der Zeit draußen verbringt. Das heißt, eine der Architektinnen, die für mich sehr wichtig war, dort Fuß zu fassen, hat zu mir gemeint, dass australisches Leben oder Brisbane-Leben ist mehr wie less temporary camping. Das heißt, nicht so vorübergehendes Camping. Wir brauchen nur einen Dach, das uns vor dem Regen schützt, ein Moskitonetz, das uns vor den Mücken schützt. Der Rest kann eigentlich immer draußen gemacht werden. Und es ist auch so, dass die Schlafräume muss man abriegeln können, ansonsten lebt man wirklich fast nur draußen.

Friedrich Idam:

Wenn wir jetzt tatsächlich auf heißere Sommer zugehen, also wenn hier in Europa sich ein Klima entwickelt, das möglicherweise dem ähnlicher wird, wie es du jetzt für Brisbane beschrieben hast - welche Erkenntnisse, die du in Australien gewonnen hast, würdest du jetzt nach Österreich transportieren? Was ist so deine Botschaft, was wir von den heißen australischen Sommern lernen können?

Erhard Rathmayr:

Ich glaube, die Kernbotschaft ist, dass wir weniger machen müssen, als wir glauben. Wir haben über die Jahre, über die sogenannten kalten Jahre, es gibt ja Makroklima-Forschung, die sagen, wir haben die 200 kältesten Jahre hinter uns nach der letzten kleinen Eiszeit. Und in dieser Zeit haben wir uns daran gewohnt, dass wir sehr glatte Fassaden haben im Mitteleuropa. Und anstatt mehr technologiegläubig zu sein, glaube ich, dass man mehr mit einfachen Vorrichtungen machen könnte. Das heißt, wir sind inzwischen so daran gewohnt, dass die erste Antwort ist, es ist zu heiß im Gebäude: Ich baue eine Maschine ein, die das Haus kühler macht, anstatt sich zu überlegen, ich könnte eigentlich eine kleine Veränderung an den Fenstern vornehmen und den Hitzegewinn stoppen. Und das Haus funktioniert genauso, wie es vor 200 Jahren funktioniert hätte. Einfach ganz natürlich. Das heißt, ich glaube, wir brauchen vielmehr eine Rückbesinnung auf Werte, die die Einfachkeit und ein simples Benutzerverhalten beinhalten als diese Technologiegläubigkeit.

Friedrich Idam:

Ja, ich danke dir sehr herzlich für deine Einblicke in eine sehr weit entfernte Baukultur, von der wir aber, so denke ich, sehr viel lernen können.

Erhard Rathmayr:

Sehr gerne, vielen Dank für die Möglichkeit.

Friedrich Idam:

Danke.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.
Ab Folge 140 ist für jede Episode ein redaktionell bearbeitetes Transskript hochgeladen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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