Simple Smart Buildings

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Friedrich Idam:

Heute zu Gast in Simple Smart Buildings, Robert Krasser. Robert Krasser ist Architekt und beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit der Schönheit in der Architektur. Robert, du warst vor kurzem bei einem internationalen Kongress in Oslo. Da ging es um Schönheit und Hässlichkeit in der Architektur.

Was waren so deine Eindrücke von diesem Kongress?

Robert Krasser:

Ja, hallo Fritz. Ja, ich war vor einigen Wochen in Oslo bei der BUA. Das ist die Building and Uglyness in Architecture. Das ist eine Konferenz, die alljährlich stattfindet von INTBAU Norwegen. Und das ist eine dreitägige Konferenz gewesen, wo sich Architekten, Stadtplaner, sehr viele Studenten, aber auch normale Bevölkerung sich trifft und über Schönheit in der Architektur zu sprechen. Diese Konferenz ist zustande gekommen, weil sehr viele Studenten, besonders in den skandinavischen Ländern, gesagt haben, uns gefällt nicht mehr, wie die heutigen Architekten bauen. Und dann hat es sogar diese Architektur-Rebellion gegeben und die machen jetzt sehr viele Veranstaltungen, unter anderem eben die BUA.

Friedrich Idam:

Vielleicht zur Erklärung für unsere Hörerinnen und Hörer. Die Organisation von INTBAU Norwegen. INTBAU ist ja die Abkürzung für der International Network for Traditional Building Architecture and Urbanism. Das ist ja eine Bewegung, die vom Vereinigten Königreich ausgeht, die ursprünglich von der Princess Foundation finanziert wurde und jetzt quasi bei der King's Foundation angedockt ist.

Robert Krasser:

Ja, also INTBAU, wie du das schon gesagt hast, ist vor 25 Jahren gegründet worden und hat, In ca. 40 Ländern ein sogenanntes Chapter, wo ich auch in Österreich da mitarbeiten darf. Und eben in vielen Ländern gibt es eben solche Chapters und in Norwegen veranstaltet die in BUA eben das norwegische Chapter von INTBAU.

Friedrich Idam:

Und in dieser Schönheitsdiskussion in der Architektur gibt es ja verschiedene Strömungen, verschiedene Haltungen. Es gibt so die quasi Architektenhaltung, das, was wir beide im Studium gelernt haben. Zumindest ich ist ja immer so halb scherzhaft. Ich bin durch die Gehirnwäsche eines Architekturstudiums gegangen, wo einem dann von den Professoren erklärt wird, Historismus ist hässlich, Le Corbusier ist schön. Waren deine Erlebnisse im Studium ähnlich?

Robert Krasser:

Also meine waren exakt ähnlich. Ich habe noch dazu in Graz studiert, wo man ja eigentlich nur Modernismus kennengelernt hat. Also wir haben berühmte Professoren gehabt, wie zum Beispiel Günther Domenik, der ja immer gesagt hat, Architektur muss brennen. Architektur muss, da müssen wir streitend drüber kennen und es ist dann sogar so weit gegangen, wenn man irgendetwas Traditionelles oder annähernd Traditionelles geplant hat, dann hat es geheißen, ja, das ist eine schlechte Idee oder das ist nicht progressiv genug sozusagen. Aber genau das und das geht es bei dieser BUA in Oslo, wo eben auch Studenten sehr viel Leidvolles berichten aus ihren Studien.

Friedrich Idam:

Und es ist ja, ich denke, das, was jetzt vom, bin mir gar nicht so sicher, Mainstream das richtige Wort ist, die Schönheit, die immer noch auf den meisten Architekturfakultäten gelehrt wird, dass eben gerade Linien, kubische Gebäude, große Glasflächen, das, was man so automatisch mit Architektur assoziiert, dass ja jetzt zum Teil mit dem Begriff Baukultur vermarktet wird, dass ja das eine Architektursprache ist, die ja eigentlich nur eine Elite als schön propagiert, während die breite Masse der Menschen... Ja eigentlich nicht als schön empfinden. Und offenkundig gibt es jetzt auch eine kleine Revolution zumindest der Architekturstudenten, die sich jetzt auch dagegen wehren.

Robert Krasser:

Ja genau, du sagst das. Und zwar, mittlerweile kann man schon relativ gut sagen, was ist objektiv schön und was ist objektiv weniger schön, sagen wir mal so. Und wie du eh schon in deinem früheren Podcast sehr oft über Christoph Alexander gesprochen hast, der hat ja versucht aus empirischen Forschungen abzuleiten, was ist schön, was empfinden die Leute schön. Denn mittlerweile gibt es dazu ja sehr viele Studien, die genau diese Muster von Christoph Alexander oder diese Beispiele von Jan Gehl, zum Beispiel, die sagen, ja okay, wir beweisen das jetzt, dass der Christoph Alexander in dem Sinn auf der richtigen Spur war. Und zwar gibt es auf der einen Seite so ein paar Sachen, die man eigentlich leicht verstehen kann. Das eine ist sicherlich, dass der Christoph Alexander oder die sprechen von Fraktalen. Fraktale werden von uns Menschen für schön empfunden. Ich meine, wenn die Hörer jetzt nicht wissen, was so ein Fraktal ist, also zum Beispiel ein Baum hat ein fraktales Muster, wo die Blätter vom Großen ins Kleine sich ähneln, also ein Muster, das sie repliziert und immer kleiner wird.

Friedrich Idam:

Wir sitzen ja gerade in meinem Haus in Hallstatt. Du hast ja die Mühe gemacht, von Salzburg nach Hallstatt zu fahren und ein Fraktal, was mir jetzt so einfällt, wenn ich aus dem Fenster schaue und auf die Kalksteinfelswände dieses Hallstätter Talkessel schaue, da sehe ich die horizontale Bankung dieser Gesteinsformationen, die im Meterbereich ist. Und wenn ich mir jetzt die historischen Steinmauern anschaue, ist ja diese Struktur, diese quasi horizontale Schichtung des Materials, wiederholt sich in der Steinmauer, allerdings in einem kleineren Maßstab und in der Mauer selbst wieder mit unterschiedlich großen Steinen. Und das, denke ich, ist ja auch so ein Fraktal.

Robert Krasser:

Ja, auch. Ich meine, man merkt, dass das eine fast natürliche Landschaft ist. Natürlich ist die Stadt, Haarstadt, eine künstliche Geschichte. Aber sie ist aus natürlichen Steinen gebaut. Und ich glaube, für die Hörer ist es einfach wichtig zu erkennen, oder wir wollen das eben vermitteln, dass die Natur eben voller solcher Fraktale ist und ein Mensch lieber auf so Fraktale hinschaut, wo sich das Auge festgreifen kann, als wie auf ein glattes Beton oder eine glatte Glaswand. Und da gibt es mittlerweile schon sehr viele Studien mit Eye-Tracking und so weiter, dass man sagt, das hat durchaus einen Sinn, dass man eine Putzoberfläche macht, die ein bisschen rauer ist, nicht eine ganze glatte. Oder, ja, ich meine, jeder kennt das von uns, wenn man zum Beispiel nach Venedig fährt. Ich meine, da bröckelt der Putz ab, da sieht man Mauerwerk und so weiter, aber trotzdem empfindet man das als schön, weil es eben so eine haptische Schönheit hat, wo man gerne auf die Mauer greift, wo ein bisschen eine raue Oberfläche da ist. Also das muss gar nicht alles so perfekt sein.

Friedrich Idam:

Und ich glaube, es funktioniert sogar bei glatten Oberflächen. Es gibt ja diese historischen Glattputze in der Antike, die zwar sehr glatt, aber nicht eben sind.

Robert Krasser:

Genau, ja. Also wie gesagt, es gibt Studien darüber, dass man sagt, so eine 100 Meter lange Glasfassaden, die schrecken die Leute ab.

Friedrich Idam:

Du hast ja im Sommer 2024 in Salzburg eine Sommerakademie zur Schönheit der Städte veranstaltet und da war ein sehr interessanter Vortrag von einer, glaube ich, deutschen Psychologin oder Neurologin, die von diesen Versuchen berichtet hat. Du hast das jetzt schon kurz erwähnt mit dem Eye-Tracking. Ich habe diese Versuchsanordnung sehr interessant gefunden.

Robert Krasser:

Ja, wie gesagt, da gibt es sehr viele Psychologen, Neurologen und auch Architekten, die sich damit beschäftigen. Das war die Aenne Brielmann. Das ist eine deutschsprachige Wissenschaftlerin, die sich damit beschäftigt. Aber hauptsächlich beschäftigt sich mit diesen Themen die Frau Ann Sussman. Sie hat auch ein Buch geschrieben, das nennt sie Cognitive Architecture. Designing, how do we respond to the built environment.

Friedrich Idam:

Dieses Buch werde ich nach unserem Gespräch kurz in den Scanner legen und in den Show Notes von den Podcasts stellen, sodass es für unsere Hörer leicht verfügbar ist.

Robert Krasser:

Also ich glaube, der erste Punkt waren so die Fraktale. Das Zweite, was sehr wichtig ist, sind natürlich zum Beispiel menschliche Gebäudehöhen. Ich glaube, darüber haben wir schon mal gesprochen.

Friedrich Idam:

Ja, da gibt es ja von Christoph Alexander diese Muster, also mir fällt da spontan ein, wenn man die Traufe mit der Hand erreichen kann, also dieses heruntergezogene Dach.

Robert Krasser:

Ja, das gilt jetzt für Einfamilienhäuser, aber generell sagt zum Beispiel Alexander oder auch Jan Gehl maximal vier Geschosse. Vier Geschosse, mir fallen jetzt zwei, drei Gründe ein, warum das ganz wichtig ist. Bei vier Geschossen hat man noch irgendwie den Bezug zum Erden, zum Erdgeschoss. Also beim vierten Stock kann ich vom Balkon weg die Kinder noch zum Essen rufen, kann ich sagen, Kinder, kommt's rauf, das Essen ist fertig. Bis zum vierten Stock kann ich noch, sage ich jetzt einmal, auch als unfitte Person ohne Lift gehen. Und bis zum vierten Stock ist es so, wenn man in einer größeren Stadt ist und ein bisschen weg in einer Straße steht und sich das Gebäude betrachtet, hat man noch ein bisschen Himmel dabei. Weil der Mensch, also das menschliche Auge, hat einen gewissen Seewinkel, also es geht glaube ich 50 Grad nach oben oder so und wenn man gerade ausschaut, sieht man noch ein bisschen den Himmel. Und das braucht das Gehirn, damit man Referenzpunkte hat.

Friedrich Idam:

Weil man stammesgeschichtlich über Jahrhunderttausende so geprägt ist und das eigentlich in der Genetik des Menschen verankert ist.

Robert Krasser:

Das beschreibt dem Einsatzmann ganz gut in Ihrem Buch, dass es eben immer solche Zusammenhänge gibt, die eigentlich aus der Evolution der Menschen herkommt.

Friedrich Idam:

Und bei dieser Versuchsanordnung hat er mich so fasziniert, dass man den Probanden jeweils zwei unterschiedliche Bilder vorgelegt hat, wo ihm eines Standardgebäude oder was immer war, das andere mit diesen fraktalen Mustern und diesen Bildern war jeweils willkürlich eine Zahl zugeordnet. Und die Probanden bekamen scheinbar die Aufgabe, die sind ja quasi überlistet worden, denn Probanden wurde gesagt, sie müssten möglichst schnell die höhere Zahl erkennen, immer bei zwei Bildern. Und was die Probanden nicht wussten, ist, dass einerseits ihre Handbewegungen, wie sie die Maus bewegt haben, getrackt wurden und andererseits, dass ihre Augenbewegungen getrackt wurden und dann, Es ist dann in einem extrem hohen Prozentsatz, also jenseits der 90 Prozent, dass eben die Probanden nicht zuerst quasi auf die höhere Zahl, sondern erst auf das fraktale Bild, auf das, was nach dieser Theorie schön ist. Also sowohl die Augenbewegung ist Richtung schönes Bild gegangen, als auch der Impuls der Hand mit der Maus. Und erst dann ist quasi die scheinbare Aufgabe erfüllt worden. Genau.

Robert Krasser:

Wie gesagt, also die Menschen fühlen sich zum Schönen hingezogen. Das ist, was die Frau Brielmann eben gesagt hat. Und das kommt aus der Geschichte der Menschen, aus der Evolution, dass wir uns immer diesen Schönen hingezogen fühlen, weil es bei uns im Menschen ein Wohlbefinden auslöst. Freude auslöst.

Friedrich Idam:

Quasi Faktum, dass sehr, sehr viele Menschen vielleicht, es gibt wie immer, es ist nie etwas 100 Prozent, aber dass große Mehrheiten sich zu der Art von Ästhetik, den die zeitgenössische Architektur propagiert, nicht hingezogen fühlen, dass man sich eben nicht zu großen Glasfassaden, nicht zu überhohen Gebäuden, nicht zu großartig, großen Betonflächen hingezogen fühlt und dass es jetzt dagegen eine Bewegung gibt, dass eben immer mehr, vor allen Dingen auch junge Menschen sagen, das erleben wir nicht als schön. Aber was dann als schön gesehen wird, da scheiden sich ja schon wieder die Geister.

Robert Krasser:

Naja, also ich glaube nur, dass die jetzigen Architekten noch nicht mit diesen technischen Methoden ganz einfach arbeiten. Es gibt auch gute Vergleiche, wiederum bei Ann Sussman. Ein weiterer Punkt wäre dieser sogenannte Face-Bias. Menschen fühlen sich auch zu Gesichtern hingezogen. Also, wenn man zum Beispiel ein Foto betrachtet, dann gehen die ersten Blicke immer auf die Person. Bei einem Landschaftsfoto ist natürlich nur die Landschaft da. Aber wenn eine Person im Bild ist, dann geht der erste Blick meistens auf das Gesicht. Also das kommt auch von der Natur aus, ich glaube von den Babys, dass sie sich immer zur Richtung des Gesichts der Mutter bewegen sozusagen.

Robert Krasser:

Und andere Disziplinen, wie zum Beispiel die Autoindustrie, macht sie dem, zunutze und designt die Autos so, dass sie von vorne ausschauen wie Gesichter. Manche Autos schauen sogar hinten aus wie Gesichter. Ein Salzmann beschreibt da ganz interessant, dass irgendwann einmal die Autofirmen erkannt haben, dass sie zornige Gesichter machen, weil die irgendwie besser angekommen sind.

Robert Krasser:

Aber sie machen bewusst so wie Mund und den Kühlergrill und die Lichter eben, dass das ausschaut wie ein Gesicht. Auch zum Beispiel in einem Apple Store von den iPhones, da sieht man auch sehr viele Personen, die fröhlich lachen und so weiter, weil sie einfach eine positive Stimmung wiedergeben wollen, weil die Menschen sie gern auf Gesichter fixieren. Und auch weiter im Apple Store drinnen, die haben meistens richtige, echte Holztische, wo die teuren Produkte liegen, weil sie genau mit dieser Haptik spielen, mit diesen rauen Oberflächen vom Holz, das man halt gern angreift und so weiter. Also die Werbeindustrie hat das schon längst erkannt, das mit dem Eye-Tracking, mit den Oberflächen und so weiter. Die Architekten gehen da noch immer ihren komplett eigenen Weg. Es geht sogar so weit, dass sie sagen, die allgemeine Bevölkerung ist zu dumm, unsere Architektur zu verstehen. Ja. Und es gibt da eine Studie, das ist zwar nur ein kurzes Paper, wie man eben durch das Architekturstudium gebrainwashed wird. Also wenn man dann eine fünf- oder sechsjährige Architekturausbildung hinter sich hat, dann fangen einem wirklich diese Glaskisten an zum Gefallen.

Robert Krasser:

Ich meine, ich kann sagen, sehr viel ist natürlich der Technik geschuldet. Mit Autocad oder Archicad ist es einfach leichter, einen Würfel zu zeichnen, als wie irgendeine organische Struktur oder sonst.

Robert Krasser:

Und genau das ist es.

Friedrich Idam:

Mir ist vorher, wie du von den Gesichtern erzählt hast, da ist mir spontan die Metapher eingefallen, die Fenster sind die Augen des Hauses und natürlich hat die Fläche des Auges eine Proportion zu einem menschlichen Gesicht. Also wären jetzt die Augen so groß wie das ganze Gesicht, würde das Gesicht sehr seltsam beziehungsweise hässlich aussehen. Aber bei den Häusern sind aktuell ja die Fenster die Augen überproportioniert.

Robert Krasser:

Also deshalb sage ich auch immer, ein Gebäude braucht Fenster, die man sehen kann. Also das ist immer ganz entscheidend, dass es quasi eine Lochfassade gibt, wo Fenster mit Laibung und so weiter ist. Das muss jetzt nicht immer ausschauen wie ein Gesicht. Das ist eine ganz wichtige Geschichte. Und es heißt ja nicht umsonst Fassade. Ich glaube, ich habe zwar nie Latein gehabt, aber ich glaube, das muss irgendwie von Gesicht kommen. Fassade. Und auf Deutsch sagt man ja, das Haus hat ein Gesicht. Das hat ein Gesicht. Die Fassade hat ein Gesicht, sagen wir im Steirischen, wenn das gute Proportionen hat. Und also nichts kommt von nichts. Und da wäre aber schon bei einem nächsten Punkt, den fast jeder beschreibt, der sich damit auseinandersetzt, das ist Symmetrie. Also moderne Architekten hassen eigentlich Symmetrie. Aber nur in der klassischen Architektur, in der traditionellen Architektur hat man fast immer nach Symmetrie gestrebt.

Robert Krasser:

Und man muss aber dazu sagen, dass, komplette Spiegel-Symmetrie vielleicht auch nicht das Schönste ist, sondern es ist eine annähernde Symmetrie, ist das Beste. Also da gibt es sehr viele schöne Bauten in Poundbury, die sind zwar nicht ganz symmetrisch, aber einigermaßen symmetrisch. Einmal ist nur der Rauchfang auf der Seite, einmal ist auf der Seite, einmal ist eine Tür auf der linken Seite. Aber das macht nichts. Im Endeffekt schaut es harmonisch aus und wenn es symmetrisch ist, Und das gefällt den meisten Leuten besser wie nicht und wie umgekehrt. Und da gibt es sehr viele Studien, so Symmetriestudien darüber.

Robert Krasser:

Also das wäre sicherlich ein sehr wichtiger Aspekt, um wieder schöner zu bauen.

Friedrich Idam:

Da würde ich eher den Begriff der Ponderation einführen, der Ausgewogenheit. Mir fällt ein konkretes Beispiel ein, wenn ich vergleiche eine original gotische Zweiturmfassade, wo vielleicht 100, 200 Jahre Bauzeit zwischen den beiden Türmen liegen. Und natürlich die zwar diese Grundidee der Symmetrie besitzt, aber eben so wie du das vorher erläutert hast. Wenn man genauer schaut, doch auch Unterschiede, zumindest auf den zweiten Blick besitzt. Wenn ich mir aber dazu im Gegensatz eine historistische, gotische Zweiturmfassade, wie etwa die der Votivkirche in Wien anschaue, Die wurde ja innerhalb weniger Jahre gefertigt, die wurde ja schon unter Zuhilfenahme industrieller Fertigungsmethoden hergestellt und die ist nahezu völlig perfekt und ist meiner Meinung nach gut. Lebloser, hat nicht mehr den Charakter, möglicherweise auch ein menschliches Gesicht. Es gibt ja angeblich auch diese Versuche, wenn man ein Gesicht, ein menschliches fotografiert und dann exakt spiegelt, also in der Hälfte der Asymmetrieachse einführt und spiegelt, dass das dann auch irgendwo eigentümlich wirkt und dass diese leichten Abweichungen und trotzdem, die dir aber trotzdem ausgewogen sind, wirklich die Qualität schafft.

Robert Krasser:

Du sagst das, ja.

Friedrich Idam:

Die Frage ist natürlich nur, wie schafft man das mit modernen Fertigungsmethoden? Und da ist es für mich, muss das unbedingt handwerklich gefertigt werden, wo es passiert? Ein ganz anderes Beispiel fällt mir jetzt aus der Musik ein. In den 1980ern gab es ja die ersten Schlagzeugcomputer, die ganz, ganz präzise geschlagen haben, aber der Rhythmus dadurch fast tot wurde. Und jetzt gibt es eben diese modernen Schlagzeuge, wo man durch Einstellung verschiedenster Parameter leicht synkobieren kann und dass durch diese quasi Annäherung, dass ein sehr guter Schlagzeuger vielleicht bewusst ganz leicht daneben schlägt. Und dadurch eine Dynamik in die Musik hineinbekommt. Ob man nicht möglicherweise auch KI-Programme so trainieren könnte in der Architektur, dass diese Form der Ponderation entsteht?

Robert Krasser:

Also ehrlich gesagt, ich kenne mich in der Musik nicht aus, aber das wird sicherlich stimmen. Ich würde jetzt in der Architektur sagen, alle unsere Städte oder so wie wir, wenn wir jetzt rausschauen nach Hallstatt, ist ja eine Stadt, die entstanden ist durch inkrementelles Weiterbauen. Und die Häuser sind ja immer gebaut geworden. Einmal ist eins abgebrannt, dann ist es wieder neu gebaut worden oder ist es zusammengefallen, wieder neu gebaut worden, auch in unterschiedlichen Stilen. Und letztendlich kann man jeden Touristen heute draußen fragen, der würde sagen, das schaut wunderschön aus. Eben weil es nicht perfekt ist, wie du sagst, und weil es nicht perfekt ist und weil es eben historisch gewachsen ist und organisch gewachsen ist. Das beschreibt Christoph Alexander sehr gut in seiner New Theory of Urban Design, wo er sagt, eigentlich nur diese Städte, die sie inkrementell entwickeln.

Robert Krasser:

Irgendwie zu schönen Städten werden. Und das ist genau die Analogie zu deiner Kirche in Wien, zur Votivkirche, glaube ich, hast du genannt. Wenn man das auf einmal baut, dann ist es zwar schön am Plan und dann, wenn es fertiggestellt ist, aber es geht ein bisschen das Leben ab. Und das ist eine wirkliche Kunst, so neu zu bauen, dass es ausschaut wie, sag ich jetzt einmal, Venaculär. Das hat zum Beispiel, haben sie in England probiert, bei Poundbury zu machen.

Friedrich Idam:

Poundbury ist eine Stadt in Cornwall.

Robert Krasser:

Ja, ich glaube, Cornwall, in Süden Englands, und da hat der damalige Prinz Charles, jetzt König Charles.

Friedrich Idam:

Damals auch, glaube ich, Herzog von Cornwall.

Robert Krasser:

Ja. Land zur Verfügung gestellt, um eine Stadterweiterung zu machen. Das ist so zwei Kilometer weg von Dorchester, auch einer historischen Stadt. Und dort haben sie in drei Phasen jetzt schon eine traditionelle Stadt gebaut. Man muss ja dazu sagen, das sind, glaube ich, 30 Prozent sind Sozialwohnungen. Also das sind jetzt nicht Häuser für Reiche, das sind auch Wohnungen. Und der Leon Krier, der Architekt, hat da den Masterplan gemacht. Und da ist wirklich alles durchdesignt, vom Haus zu Hausdach. Es gibt einen richtigen Bebauungsplan. Die Fassadenfarbe bis hin zu der Farbe der Türen sind aufeinander abgestimmt, sodass das alles halt passt.

Friedrich Idam:

Aber Poundbury ist quasi vom Reißbrett in relativ kurzer Zeit entstanden und besitzt dennoch diesen Charakter, wenn man es nicht weiß, als wie wenn es gewachsen wäre.

Robert Krasser:

Ja, also das ist jetzt die Frage, was kurze Zeit ist. Also ich glaube, mittlerweile bauen sie schon 30 Jahre dran. Aber die erste Phase haben sie, glaube ich, so zehn Jahre gehabt, die zweite Phase auch wieder zehn Jahre. Und da ist auch nicht immer alles auf einmal gebaut worden. Und jetzt, glaube ich, gibt es noch eine dritte Phase dazu. Also es ist für die Größe in einer relativ kurzen Zeit entstanden, aber trotzdem hat es natürlich auch finanzielle Hintergründe, dass man das nicht alles auf einmal baut. Aber es ist wirklich, jeder Architekt sollte sich das jetzt wirklich einmal anschauen, egal was er jetzt oder wie er darüber denkt, aber nur das ist wirklich sehr, sehr beeindruckend, wie das dort gelungen ist.

Friedrich Idam:

Ich habe ja Poundbury kennengelernt beim österreichischen Baukulturkonvent. Da hat der Dietmar Steiner Poundbury vorgestellt. Also mich, der ja ein massiver Vertreter eigentlich des modernen Bauens war, hat Poundbury ganz bewusst als Gegenentwurf, Und vor allen Dingen mit dem Hinweis, dass das soziale Gefüge dort so gut funktioniert, also dass diese Durchmischung zwischen Mittelstand und Sozialwohnungen eine erstaunlich friedvolle urbane Atmosphäre erzeugt.

Robert Krasser:

Ja, ich meine, wenn man dort ist, sieht man natürlich auch die Schwächen, muss man ganz ehrlich sagen. Also ich glaube, das, was nicht aufgegangen ist, dass da jetzt eine florierende Stadt ist mit sehr vielen Geschäften. Also es sind sehr viele Immobilienbüros dort, natürlich auch ein großer Supermarkt und ein paar kleine Geschäfte. Aber in der historischen Stadt von Dorchester ist es bei weitem mehr los. Also es hat schon ein bisschen einen Wohnstadtcharakter. Es leben auch sicherlich eher gut situierte Leute dort, obwohl ein paar Sozialwohnungen oder nicht so teure Gebäude dort sind in ihrer Größe. Ich glaube, die Straßenführung ist auch sehr intelligent in Poundbury. Also man kann dort nicht rasen oder was, weil irgendwann steht immer ein Brunnen und dann mitten auf der Straße und so rundherum fahren. Übrigens, in Gesamt-Poundbury gibt es kein einziges Verkehrszeichen. Es gibt nicht einmal ein Schild, jetzt fängt Poundbury an, es fängt einfach an und dann gibt es kein einziges Verkehrszeichen und keine einzige Straßenmarkierung auf AVO. Hunderten Hektar. Und das ist quasi eine große Begegnungszone, ohne dass diese Begegnungszone verordnet ist.

Friedrich Idam:

Und sie funktioniert.

Robert Krasser:

Und das funktioniert einwandfrei.

Friedrich Idam:

Und Poundbury ist ja, ich werde auch hier in den Shownotes einen Link, beziehungsweise ich habe ein Factsheet dazu, das werde ich hineinstellen.

Friedrich Idam:

Poundbury, diese Ideen und ja, der Leon Krier ist ja ein Vertreter der Postmoderne. Das ist ja eine Strömung, die bewusst als Gegenbewegung zur Moderne in den 1980er Jahren entstanden ist und die schöpft ja ihren Formenschatz oder ihre Ästhetik letztlich aus der klassischen Architektur. Ich denke, die Quattro Libri von Palladio, das, was man als klassische Architektur, also mit diesen Versatzstücken aus der Antike, mit diesen Säulen, mit diesen Kapitelen, also mit diesem ganzen Formenrepertoire operiert. Aber es gibt ja auch noch andere Ansätze dieser, vielleicht soll man es nennen, neuen Schönheit in der Architektur, die quasi auf einer eher vernakulären Wurzel aufbaut.

Robert Krasser:

Also gehen wir noch einmal zurück nach Poundbury. Da sind sehr viele Elemente drinnen. Die einfach gut sind und den man einfach gern anschaut. Und wenn du da durch Poundbury gehst, wirst du ein Muster nach dem anderen sehen, die Christoph Alexander in der Pattern-Language stehen hat. Also man geht durch und schaut. Es sind gar nicht so viele klassische Elemente drinnen, glaube ich. Aber nur, ich glaube, es gibt kaum jemanden auf der Welt, der da durchgeht und sagt, das gefällt mir nicht. Also jeder, der dort wohnt, liebt es. Jeder, der dort durchgeht, liebt es. Jeder findet es wirklich schön, jeder findet es attraktiv. Nur manche Architekten hassen es. Es gibt dann, Poundbury ist eher so, ich zeige jetzt einmal, Dorfcharakter mit zwei bis drei Geschossen im Zentrum. Es gibt ja dann zum Beispiel in der Nähe von Paris das La Plessis Robinson. Es ist ein richtiger neuer Stadtteil, eigentlich ein Stadtumbau, wo auch ein bisschen ein größeres Bauen gebaut wird. Also wirklich auch mit 30, 40 Prozent Sozialwohnungen, wo man Plattenbauten abgerissen hat und dann eine klassisch-traditionelle Stadt gebaut hat.

Friedrich Idam:

Das ist in diesen Banlieues.

Robert Krasser:

Ja, in dem Banlieues. Und dort ist genau das Gleiche. Also die Menschen, die dort wohnen oder die Besucher, lieben es, aber die Architekten teilweise verstehen das nicht, dass man da noch sowas bauen kann. Und in der gleichen Stadt zum Beispiel, in La Plessis Robinson, gibt es auf der gegenüberliegenden Straße auch ein neues Baugebiet. Das wurde von einem Privaten gemacht. Ich glaube, das nennt sich Kapitales. Ich war da mal dort fotografieren. Und das schaut dann schon richtig kitschig aus. Also da glaubt man dann, man ist so in einem typischen Factory Outlet Center. Das ist dann wieder zu perfekt. Also das ist dann reinwohnen, innen drinnen ein kleiner Teich, rosarotes und pastellgrüne Häuser und vier Stockwerke, jeder Quadratmeter ausgenutzt, ein schöner Garten, alles klinisch rein. Und da muss ich schon sagen, dann ist auch für mich die Kitschgrenze überschritten sozusagen. Und genau das ist es, glaube ich. Dieser schmale Grat zwischen, traditioneller, klassischer Architektur, die gefällt, die auch auf gewissen Pattern beruht, die wissenschaftlich herleitbar ist und bis hin zur Grenze, zu dieser Kitschlinie, sage ich immer, dass man die überschreitet, diese Grenze ist sehr schmal oder dieser Grad ist sehr schmal zwischen dieser Kitschlinie und diesem dritten Weg. Und du sprichst jetzt so ein bisschen, was ist jetzt die Zukunft der Architektur? Ich kann das natürlich jetzt überhaupt nicht beantworten, ich kann nur vermuten sozusagen. Also ich glaube, dass die Zeit der Glaskisten mit Flachdach vorbei ist. Ich glaube auch, dass die Zeit der, Jan Gädel sagt so schön, der Parfumflaschenarchitektur à la Zaha Hadid und so weiter vorbei ist, wo sich jeder Architekt nur mehr selbst verwirklichen kann. Das wird vielleicht noch in Dubai gemacht oder sonst wo oder wirklich, wenn ich irgendwo ein Museum baue oder was, dann mag das ja gerechtfertigt sein. Aber ich glaube, dass die Zukunft in Richtung, du hast es schon ausgesprochen, New Vernacular Architecture geht, also neue vernakuläre Architektur, wo man bewusst versucht, mit dem Genius Loci zu bauen, wo man bewusst Materialien aus der Umgebung verwendet. Wo man bewusst auch vielleicht ein bisschen teurer baut, also dauerhafter baut, wie du in deinen Podcasts so schön machst, simple smart buildings oder einfache Architektur, dass nicht alles so immer bis aufs Letzte ausgereizt werden muss. Also allein schon von der Wärmedämmverordnung bis hin zu jeder Quadratmeter muss mit einem Solardach bepflastert sein und der Rest muss auch noch begrünt werden sozusagen. Also ich glaube, dass wir da ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen sind sozusagen in der letzten Zeit und dass wir wieder schöne Häuser, schöne dauerhafte Häuser für die nächsten Jahrhunderte bauen. Das ist, glaube ich, das Ziel.

Friedrich Idam:

Robert, ich danke dir sehr herzlich für dieses Gespräch.

Für dieses Thema des Schönbauens interessieren sich ja immer mehr junge Menschen. Du hast von dem Kongress in Oslo berichtet, wo ja eine überwältigende Mehrheit junger Menschen, junger Studenten teilgenommen hat. Und auch du bist in Österreich in dem Bereich sehr aktiv. Du hast den letzten Sommer 2024 in Salzburg eine Sommerakademie zu dem Thema organisiert. Und auch heuer 2025 wird es im August in der Kartause Mauerbach in der Nähe von Wien wieder eine Veranstaltung geben. Worum wird es bei dieser Veranstaltung gehen?

Robert Krasser:

Also wie du schon gesagt hast, es tut sich auf dem Gebiet jetzt sehr, sehr viel international. Also für jeden, der sich interessiert, der soll bitte ganz einfach im Internet eingeben, Architekturrebellion, das sind diese Studenten, die sich jetzt schon aufbegehren, damit sie wieder normale Architekturunterrichter gehören, das gibt es auch fast in jedem Land. Und das Zweite ist natürlich INTBAU.

Wer da Interesse hat, in Österreich mitzuarbeiten, der soll sich gern bei mir melden. Und das Dritte, was sehr gut ist, es gibt immer wieder IMCL-Konferenzen, die heißen International Making Cities Livable. Die nächste wird in Potsdam im Oktober stattfinden. Da lernt man sehr viel über Christoph Alexander, Mustersprachen etc.

Und du hast es schon angesprochen, auch wir machen im Rahmen vom INTBAU und im Rahmen des Pattern-Instituts in Österreich wieder eine Sommerschule. Diese Sommerschule machen wir heuer, wie du schon gesagt hast, in der Kartause Mauerbach. Das ist das Weiterbildungszentrum des Bundesdenkmalsamts in Österreich. Da dürfen wir zu Gast sein. Wir haben drei Tage interessante Vortragende. Da wird es um das Thema einfach bauen und die menschengerechte Stadt gehen. Wir werden zum Beispiel jemanden haben, der uns aus Le Plessis Robinson berichtet und einige Architekten, die uns von ihrer vernakulären Architektur erzählen. Du darfst auch einen Vortrag halten über dein Lieblingsthema einfach der Simple Smart Buildings.

Friedrich Idam:

Auch dazu werde ich in die Shownotes einen Link stellen mit einer Website, wo es nähere Informationen zum Thema gibt.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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