Simple Smart Buildings

Simple Smart Buildings

Transkript

Zurück zur Episode

Im Podcast Simple Smart Buildings tauchen immer wieder Muster auf, die sich mit der Mustersprache des Christoph Alexander beschäftigen. Für neu hinzugekommene Hörer, die mit diesem Thema nicht vertraut sind, hier der Hinweis in den Shownotes, auch zu dieser Episode, stehen ein paar Links zu einführenden Episoden, wo einfach die Grundidee dieser Mustersprache des Christoph Alexander erklärt wird.

Heute geht es um das Muster 190 mit dem Titel Verschiedene Raumhöhen. Dieses Muster, denke ich, ist im wahrsten Sinne ein sehr grundlegendes Muster, weil es viele der vorangegangenen Muster in die dritte Dimension hebt. Also in diesem zweiten Abschnitt, wo es um die Gebäude geht, da sind sehr, sehr viele Muster, wo es um die Entwicklung von Grundrissen geht und jetzt die Raumhöhe ist die Entwicklung dieser zweidimensionalen Grundrisse, das Flatland in eine dritte, in eine räumliche Dimension zu entwickeln. Die Überschrift, das Motto für dieses Muster formuliert Alexander eigentlich sehr radikal. Er schreibt, ein Gebäude mit durchlaufend gleichen Raumhöhen ist praktisch außerstande Wohlbefinden zu vermitteln. In unserer baulichen Gegenwart, in einer Gegenwart der Normierung zum Teil des Baus mit Fertigteilen und ich denke, das passiert auch schon im Entwurfsprozess mit CAD-Programmen, wo Blöcke zur Verfügung stehen, wo man Stockwerke, Räume einfach kopiert. Da ist die Tendenz der gleichen Raumhöhe heutzutage eigentlich fast schon wie eine Selbstverständlichkeit wirkt.

Der Schwerpunkt der Arbeit des Entwerfens liegt im Grundriss und der wird dann schlicht und einfach zu einer egalitären Höhe extrudiert. Wenn man sich aber die Gebäude aus der Vergangenheit ansieht, wenn man unser baukulturelles Erbe analysiert, da findet man eigentlich kaum ein Gebäude mit lauter Gleichhochräumen. Da gibt es eigentlich in jedem alten Gebäude unterschiedlich hohe Räume und diese unterschiedlich hohen Räume bieten natürlich ganz individuelle räumliche Qualitäten, die für ganz bestimmte Lebenssituationen, für ganz bestimmte soziale Situationen eigentlich sehr gut passen. Es ist, denke ich, jetzt ein Topos zu sagen, die niedrigen Räume vermitteln eher Intimität, während die hohen Räume formell repräsentativ sind. Zur Entwicklung dieser Raumhöhen und zur Entwicklung der unterschiedlichen Raumhöhen stellt Alexander drei Theorien zur Diskussion. Und die erste Theorie ist, die Raumhöhe quasi mit einer Formel zu entwickeln. Es ist so der Grundgedanke, dass bei diesen drei Raumdimensionen, Länge, Breite, Höhe, die Höhe in ihrer Maßzahl zwischen der Länge und der Breite liegen sollte. Also dass ein Raum höher sein sollte, als er breit ist, aber niedriger, als er lang ist. Der berühmte Andrea Palladio stellt in seinen Quattro Libri zur Ermittlung der Raumhöhe drei Formeln vor. Das sind eigentlich Formeln aus der klassischen Mathematik. Das ist einmal das sogenannte arithmetische Mittel.

Das arithmetische Mittel ist die wohl bekannteste und einfachste Form der Mittelwertbildung. Man addiert zwei Werte, in dem Fall die Länge und die Breite des Raumes und dividiert dann diesen Wert durch zwei und dieser arithmetische Mittelwert ergibt dann die Raumhöhe. Ein anderes Verfahren ebenfalls aus der Mathematik kommend ist das sogenannte geometrische Mittel. Man multipliziert die Länge mit der Breite und zieht dann aus dem Ergebnis die Wurzel.

Das ist natürlich ein anderer Wert als das arithmetische Mittel, aber es liegt in derselben Größenordnung. Die dritte Berechnungsmethode, die Palladio vorschlägt, das ist, finde ich, sehr interessant. Das ist das sogenannte harmonische Mittel. Und dieses harmonische Mittel ist eine Idee, die kommt aus der griechischen Antike und da wiederum aus der Musiktheorie. Also da geht es. Und das finde ich ja auch ein sehr schönes Zusammenspiel, diese Musik, die Harmonie und die Idee, das was wir als wohlklingend empfinden, in Mathematik umzusetzen. Und dieses harmonische Mittel wird so berechnet, dass man die Länge mit der Breite multipliziert, also ähnlich wie beim geometrischen Mittel, aber dann dieses Produkt noch einmal mit zwei multipliziert, also verdoppelt. Und dieses Produkt wird dann dividiert aus der Summe von Länge und Breite. Und auch hier sind wir wieder etwa in einem Bereich, der natürlich zwischen Raumlänge und Raumbreit liegt, aber wiederum ein anderes Ergebnis bringt als diese beiden vorher genannten Ergebnisse. Also da lässt einen Palladio quasi die Möglichkeit offen, je nach Bedarf hier ein bisschen herum zu experimentieren. Eine andere, wie ich denke, sehr interessante Berechnungsmethode kommt aus der traditionellen japanischen Architektur. Die traditionelle japanische Architektur ist ja auf einem Grundmodul aufgebaut und dieser Grundmodul ist die Tatami-Matte und die Länge dieser Tatami-Matte beträgt nach traditionellem japanischen Maßsystem ein sogenanntes Ken.

Das Ken, finde ich wiederum sehr spannend, entspricht ziemlich genau unserem Maß des Klafters, also die Körpergröße eines großen erwachsenen Menschen bzw. die Weite der ausgestreckten Arme von rechter zu linker Fingerspitze. Und dieser Wert ist im metrischen System etwa bei 1,90 Meter und traditionelle japanische Räume wurden so proportioniert, man nimmt als Grundmaß für die Raumhöhe ebenfalls das Can, die sind 1,90 Meter und dann zählt man die Matten, die im Raum liegen, also die, Die japanische Raumfläche wird ja nicht in Quadratmetern angegeben, sondern in Matten, dass man sagt, wenn da jetzt genau sechs Matten drinnen liegen, ist das ein Sechs-Matten-Raum. Und dann wird zu diesem Grundmaß, zu diesem Ken die Anzahl der Matten mit der Höhe einer Faust multipliziert. Und die Höhe einer Faust, ich habe meine eigene Faust abgemessen, das ist etwa in der Größenordnung von 9,5 bis 10 Zentimetern. Also Anzahl der Matten mal die Faust, also ein Beispiel, es ist ein Raum mit sechs Matten, sechs mal die Fausthöhe, also sechs mal zehn Zentimeter, 60 Zentimeter. Die addiert man zu diesem Grundmaß, zu diesem Kein dazu, 1,90 plus 60 und ist dann eben bei 2,50 Meter. Ich habe übrigens diese Proportionsrechnungen auch für einen Raum angewandt, der auch schon einmal Gegenstand dieses Podcasts war. Ich habe in einer Episode, und die werde ich natürlich in den Shownotes ebenfalls verlinken, da habe ich über mein Salettl berichtet. Also ein kleines Nebengebäude mit einem sehr niedrigen Raum. Dieses Salettl hat eine Grundfläche von 2,70 Meter mal 2,70 Meter.

Da ist es natürlich klar, wenn ich da die verschiedenen palladianischen Formeln anwende beim Quadrat, ist es natürlich so, dass ja Länge und Breite gleich groß sind. Dass es also da natürlich auch keine dazwischenliegende dritte Proportion gibt. Da kommen natürlich nach allen drei Formeln ebenfalls die 2,70 Meter heraus. Also das wäre dann der Würfel als Raum, aber das ist ja viel zu hoch. Und ich habe dann auch eben nach dieser japanischen Formel berechnet, Von der Grundfläche entspricht das etwa einem 4-Matten-Raum, also 1,90 Meter plus 4 mal die Faust, also 40 Zentimeter, komme ich dann auf etwa 2,30 Meter und da bin ich ziemlich genau eigentlich bei dem Maß, das ich gewählt habe. Da habe ich jetzt quasi zwei Möglichkeiten. Ich kann einerseits die lichte Höhe messen, die ist 2,25 Meter, beziehungsweise die Höhe unter den Träumen, die ist 2,12 Meter. Das heißt, das ist eigentlich sehr niedrig und trotzdem erlebe ich aber diesen Raum nicht drückend niedrig, sondern eigentlich als sehr angenehm.

Alexander argumentiert aber weiter eben diese erste, diese mathematische Methode ist offenkundig nicht immer ideal. Also man kommt manchmal mit diesen mathematischen Methoden auf gute Räume und manchmal funktioniert das auch nicht. Und die zweite Überlegung, die zweite Theorie, die er aufstellt, die geht dahin, dass die Raumhöhe irgendwas mit der sozialen Distanz zu tun hat. Also, dass es um die soziale Interaktion zwischen den Menschen in den Räumen geht und da sind wir wieder bei der Musik. Also so wie das harmonische Mittel aus der Musik kommt, ist natürlich der Klang von Räumen. Und unterschiedlich hohe Räume klingen natürlich anders. Sie kennen das sicher von Kathedralen mit sehr hohen Decken, dass da extrem lange Nachhallzeiten sind, dass der Schall sehr lange braucht und dass hier natürlich eine soziale Distanz entsteht, weil er durch diesen Nachhall der Eindruck einer größeren Distanz zwischen den Menschen entsteht und je niederer das ist, und wenn Sie sich jetzt zum Beispiel ein Himmelbett vorstellen, wo ihm der Baldachin im Bereich des Himmelbetts einen noch niedrigeren Raum schafft, eine sehr intime Situation.

Die durch diesen Baldachin noch einmal anders klingt. Da denke ich, ist dieses Bild, oder Alexander wählt hier das Bild einer Bahnhofshalle, wo die Decke sehr hoch ist und da hat er so ein Bild, das sich quasi in der sozialen Distanz, wie nahe man jemanden haben möchte, im Grundriss um einen Mensch ein Kreis gezogen werden kann mit der Person jeweils im Mittelpunkt. Und je nachdem, wie das Distanzbedürfnis ist, desto groß oder klein ist der Durchmesser dieses Kreises. Und er argumentiert dann ja, letztlich kann man ja dann um den Menschen in der dritten Dimension eine Kugel mit eben diesem Durchmesser formen. Und dann ist man in so einer Bubble, die er als sozialen Raum beschreibt. Und wenn man eben jetzt in so einer hohen Bahnhofshalle ist, dann entsteht, obwohl man natürlich viel, viel dichter gedrängt ist, entstehen scheinbar durch die Akustik sehr große Räume und geben einem das Gefühl dieser notwendigen, erforderlichen Distanz. Aber auch diese Theorien findet er letztlich nicht wirklich befriedigend und denkt, es ist ja kulturell unterschiedlich. Es ist natürlich von den Gebäuden, ob er in einem alten oder in einem neuen Gebäude lebt. Und ich habe ja auch eine Episode in diesem Podcast über die kulturhistorischen und ökonomischen Hintergründe der Raumhöhen gesprochen. Es gibt eben Zeiten, wo die Raumhöhen allgemein höher sind und es gibt Zeiten, wo die Raumhöhen allgemein niedriger sind und trotzdem gibt es natürlich dann immer die Differenzierung. Das heißt, es ist nicht absolut, sondern es ist immer relativ in Bezug auf oder auch kulturell, wenn man jetzt an die Situation, wenn Sie sich ein Iglu vorstellen. Das ja vielleicht eine Raumhöhe von 1,50 Meter besitzt, aber durch diese Rahmenbedingungen, durch die Kälte, die dort herrscht, ist dieser Raum ja auch nicht so niedrig, während man in heißen Gegenden durchaus höhere Räume noch nicht als zu hoch empfindet, dass da natürlich auch geografische und klimatische Faktoren mitschwingen. Für mich war ein sehr interessantes Raumhöhenerlebnis, als ich in Prag am Hradschin den alten Königspalast besichtigt habe und da durch den Vladislaw-Saal gegangen bin und das ist ein sehr beeindruckender großer Raum, also der ist an die 60 Meter lang und ich glaube 16 Meter breit. Aber das war für mich der spannende Eindruck, der besitzt ein Netzrippengewölbe. Er ist so um 1500 entstanden, also eigentlich eine Deckenform, eine Gewölbeform, wie man sie aus Kathedralen kennt, mit wirklich einer komplexen räumlichen Struktur von ineinander verwobenen Gewölberippen. Aber dieser Saal ist, sage ich jetzt unter Anführungszeichen, Ich glaube, Scheitelhöhe im Bereich etwa 13 Meter. Das heißt, eine Kathedrale wie der benachbarte Veitsdom mit einem ähnlichen Gewölbe ist wesentlich höher und ich habe diese Deckenform, die ich eigentlich immer in sakralen Räumen oder mit sakralen Räumen in Beziehung setze, ist dann in diesem profanen Raum, der sehr groß ist und der 13 Meter ist ja nicht niedrig, habe ich diesen Saal eigentlich als sehr, sehr niedrig erlebt.

Es stellt sich natürlich praktisch die Frage, wie gelingt es einem in Gebäuden, auch in Neubauten, unterschiedlich hohe Räume zu gestalten. Ein Beispiel ist, und ich habe das in der Episode vom Licht von zwei Seiten kurz mal eigentlich als Negativbeispiel angesprochen von Le Corbusier, diese Unité d'Habitation in Marseille, wo sehr lange, tiefe Räume angeordnet sind, die nur von vorne belichtet, also nur von einer Seite belichtet werden. Aber in diesen Räumen gibt es ein sogenanntes Split-Level-System. Also da ist dieser Raum im hinteren Bereich in zwei Zonen eingeteilt, die dann jeweils ziemlich niedrig sind. Also ich glaube, die sind nach diesem corbuschen Modulor im etwa 2,20 Meter Bereich. Das heißt, da gibt es dann eine Zwischdecke, aber die nur im hinteren Drittel des Raumes angeordnet ist und im vorderen Bereich ist der Raum dann sehr hoch. Also da gelingt es auch in einem normierten Raum durch dieses Einführen der Split-Level-Zonen auch Räume unterschiedlicher Höhe zu erzeugen. Alexander schlägt da zum Beispiel auch vor, in Räumen, wo man jetzt zum Beispiel einen Lehnstuhl hat, eine Sitznische hat, dass es da durchaus niedriger sein kann und er schlägt da etwa vor, über diesem Platz, wo man sitzt, eine Nische, einen Stauraum anzuordnen, der möglicherweise sogar von einem anderen Raum vom Gang aus beschickt werden kann. Also um hier mit relativ einfachen Maßnahmen unterschiedliche Zonen zu schaffen. Ich habe ein paar Mal zu tun gehabt mit Häusern, die in Hanglagen stehen und wenn man jetzt ein Haus in der Hanglage hangseitig erschließt, dann ist durch das Gelände, es ist natürlich möglich, wo der Hang hoch ist, niedrigere Räume bei gleichmäßig durchlaufender Decke. Und dann, wenn man weiter nach vorne geht, dort wo der Hangabfälle sind, wenn man dem Gelände folgt, natürlich auch höhere Raumbereiche möglich. Und ich merke es bei meinem eigenen Haus hier und es kommt relativ häufig vor in den Episoden. Ich sitze da jetzt in dem Haus und schaue auf die Stufen, die ich in den Felsen geschlagen habe. Da war natürlich die natürliche Felsterrassierung, die nicht eben ist, die schräg verläuft, wo sich aus dem Zwang der Topologie und natürlich aus dem doch sehr großen Widerstand der Felsen dem Abbau entgegensetzt, wo man sich natürlich dann diesen Abstufungen des Felsens anpasst und dann das Haus draufsetzt. Sehr spannend wird es ja dann, wie es im oberen Stock weitergeht, wo man entweder diese Abtreppungen mit übernimmt oder eben nicht. Und da ist es natürlich planerisch, im Schnitt des Gebäudes dann so eine Höhenentwicklung zu schaffen, dass auch über der nicht gleichmäßig durchlaufenden Decke, die über dem Erdgeschoss ist, wieder entsprechend brauchbare und unterschiedlich hohe Räume im nächsten Geschoss zu schaffen. Und da ist er das große Vorbild, die große Idee zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Adolf Loos mit seinem weltberühmten Haus am Michaelerplatz, wo eben die repräsentative Eingangshalle sehr, sehr hoch ist. Da ist wirklich dieses formell repräsentative, dann kommt man in den Geschäftsbereich, wo es schon niedriger wird und im ersten Stock drüber, das sind dann die Schneiderei, die ursprünglichen Schneidereiräume, da hat er dann genau, wo es im Erdgeschoss sehr hoch ist, drüber als Ausgleich dann entsprechend niedrige Räume angewendet, sodass dann die Geschossdecke über dem ersten OG gleich durchlaufend war. Und dann drüber standardmäßig gestapelte Wohnungen sind. Ich bin davon überzeugt, wenn man wirklich qualitätsvolle Häuser schaffen möchte, ist diese Auseinandersetzung nicht nur, wie ich es in anderen Episoden auch schon erzählt habe, mit unterschiedlich hellen Räumen, mit unterschiedlich belichteten Räumen, sondern eben auch mit unterschiedlich hohen Räumen und, vielleicht eine Konsequenz daraus, unterschiedlich klingenden Räumen. Und das, denke ich, ist wirklich der Luxus, dass einem ein Haus hier unterschiedliche Raumqualitäten anbietet und je nachdem welches individuelle Bedürfnis man augenblicklich hat, aber auch welche soziale Interaktion mit unterschiedlichen Anzahlen von Menschen passieren sollte, dass es da einfach Räume gibt, die jeweils für die Situation maßgeschneidert sind.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

Feed-URL
https://podcasted3e6b.podigee.io/feed/mp3

von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

Abonnieren

Follow us