Simple Smart Buildings

Simple Smart Buildings

Transkript

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Über mittlere Technologien habe ich bereits eine Episode des Podcasts Simple Smart Buildings gestaltet.

In einer Episode geht es auch um einen Türklopfer, den ich in dieser Episode als ein sehr eindrückliches Beispiel für die Anwendung und Praxistauglichkeit mittlerer Technologien anführe. Ein weiteres Beispiel, das das Prinzip der mittleren Technologien meiner Meinung nach sehr gut verdeutlicht, ist der hydraulische Wider. Der hydraulische Widder ist eine Pumpe für Wasser, eine Pumpe, die in der Lage ist, Wasser ohne fremde Energie von einem niedrigeren Niveau auf ein höheres Niveau zu heben. Die Erfindung beruht auf dem Stoßdruck, der in Leitung entsteht, die man schlagartig verschließt. Sie kennen das vielleicht, wenn Sie im Garten den Gartenschlauch abrupt am Ende verschließen, so entsteht in diesem Schlauch ein Druck und der Schlauch bewegt sich dann vielleicht ähnlich wie eine Schlange. Und diesen Stoßdruck, die Bewegungsenergie, die kinetische Energie, die in fließendem Wasser steckt. Die kann man dazu nutzen, wenn Wasser reichlich zur Verfügung steht, mit quasi der eigenen Energie des fließenden Wassers das Wasser höher zu pumpen als der Wasserbehälter, als die Quelle, als das Reservoir liegt. Diese Technik wurde Ende des 18. Jahrhunderts zur Patentreife entwickelt und zwar von niemand Geringeren als Joseph Mongolfier. Das ist genau der, der gemeinsam mit seinem Bruder auch den Heißluftballon erfunden hat.

Und der Name, der Widder, kommt von diesem Druckstoß. Da denke ich, das ist einerseits der Widder, dieser Schafbock. Und ich bin in der Jugend einmal von einem Schafbock umgestoßen worden. Also es ist wirklich beachtlich, welche Stoßenergie dieses Tier entwickelt. Und auch die Römer nannten ihren Rammbock, mit dem sie Festungsmauern einstießen, zertrümmerten. Der hieß Aries, das ist übersetzt auch wieder der Widder. Also in diesem Widder steckt die Stoßenergie und im Betrieb macht dieser Widder auch so ein stoßendes Geräusch. Also diese immer wieder periodischen Stöße und das ganze System erzeugt eine pulsierende Pumpbewegung.

Technologisch ist es einerseits sehr einfach, was ja diese mittleren Technologien auszeichnet. Es braucht keine Antriebsenergie, die von außen kommt, also keine Elektrizität, keinen Diesel. Es nutzt die Fließenergie des Wassers. Das System ist sehr langlebig, aber der physikalische Hintergrund ist doch, denke ich, sehr komplex und ich werde versuchen, das Funktionsprinzip des hydraulischen Vitters darzustellen. Wir haben hier mehrere Elemente des Systems. Wir haben einerseits eine Quellfassung, ein Reservoir, ein Becken, in der das Wasser gesammelt wird und eine sogenannte Treibleitung, von der das Wasser von dem Reservoir nach unten fließt und eine entsprechende Fließgeschwindigkeit entwickelt wird. Am Tiefpunkt dieses Systems steht nun der hydraulische Widder.

Und der ist relativ simpel. Das ist ein System eines Druckkessels, eines geschlossenen Druckkessels, des sogenannten Windkessels. Windkessel, dem Wort steckt natürlich auch drinnen, dass hier auch teilweise Luft drinnen ist. und zwei Ventile, ein sogenanntes Stoßventil und ein Druckventil. Die Ventile sind entweder federbelastet oder, was noch simpler ist, Durchgewicht. Das heißt, die Ventile besitzen einfach ein Gewicht vielleicht von einem Kilo. Das muss dann natürlich jeweils auf die lokalen Druckverhältnisse, auf das Wasserangebot abgestimmt werden und die Schwergewichtsventile, die funktionieren natürlich nur durch die Schwerkraft und zeitlich nahezu unbegrenzt. Das System ist so eingestellt, dass das Stoßventil am Ende der Leitung zu Beginn so eingestellt wird, dass es nicht ganz dicht schließt, sondern dass ein kleiner Spalt besteht, dass also noch ein Teil des Wassers durch dieses Stoßventil austreten kann. Und da passiert nun Folgendes, dass durch diesen engen Spalt das Wasser sehr schnell strömt und dadurch unterschiedliche Druckverhältnisse entstehen. Also nach diesen Gesetzen, die Bernoulli entdeckt hat, ist dann am inneren Ende, also zum Wasser hin, entsteht ein höherer Druck und dort, wo das Wasser durch diesen schmalen Spalt austritt, am Austrittsende entsteht ein Unterdruck Und wenn das Wasser entsprechend schnell durchströmt, wird der Unterdruck am Ausfluss so groß, dass dieses Ventil entgegen die Feder oder entgegen die Schwerkraft zugezogen wird und das Stoßventil schließt. Und sobald es geschlossen ist, entsteht ein schlagartiger Druck. Dieser Druck breitet sich aus. Das heißt, diese Druckverhältnisse sind ja nicht kontinuierlich, nicht konstant, sondern breiten sich vom Stoßventil quasi nach hinten ins ganze System aus. Und das Rückschlagventil des Windkessels ist sehr nahe an diesem Stoßventil, sodass durch diesen plötzlichen Druckanstieg das Rückschlagventil zum Windkessel hin geöffnet wird und die erster Linie das Wasser in diesen Windkessel einströmt und da funktioniert es ähnlich wie ein Kolben, wie quasi ein hydraulischer Kolben, das Wasser strömt mit Druck in den Windkessel ein, der ursprünglich mit Wind, mit Luft gefüllt war. Der Luftpolster im Windkessel wird komprimiert, wird zusammengepresst, dass quasi dann nur noch an der Kalotte im obersten Bereich des Windkessels hoch komprimierte Luft ist. Und dieser Vorgang geht so lange, bis ein Gleichgewicht des Druckes entsteht, bis der Druck im Windkessel und im System gleich groß ist und dann schließt sich das Rückschlagventil des Windkessels wieder und der Druck breitet sich ja weiter aus. Das heißt, diese Druckwelle, die als allererstes in den Windkessel eingetreten ist, die als allererstes in den Windkessel eingedrungen ist, die geht natürlich auch in der Treibleitung weiter Richtung Wasserreservoir. Und durch dieses Expandieren des Drucks entsteht im Bereich am unteren Ende der Leitung, also im Bereich des Stoßventils, ein leichter Unterdruck. Und dieser leichte Unterdruck öffnet das Stoßventil wieder einen Spalt weit und dann beginnt dieser Vorgang von neuem. Durch den Spalt des Stoßventils strömt wieder das Wasser aus, das Stoßventil wird wieder zugezogen und der nächste Stoß geht wieder in den Windkessel. In der Zwischenzeit hat aber dieser Überdruck im Windkessel, dieser komprimierte Luftpolster im Windkessel, der hat natürlich jetzt das Wasser aus dem Windkessel weiter nach oben in der sogenannten Steigleitung, weit nach oben gedrückt, also weiter nach oben pulsiert. Und so pulsiert, mit jedem Stoß wird quasi in der Steigleitung angestoßen und durch dieses System entstehen Drücke bis zu 50 Bar. Das heißt, man kann letztlich mit diesem System Wasser, wenn ausreichend Zufluss vorhanden ist, 500 Meter hochheben. Und die einfache Bauweise der Ventile, dass das gusseiserne Material dieses ganzen Systems, des Windkessels, ist natürlich extrem langlebig. Ein Problem bei diesem System besteht insofern, es ist ja nichts absolut dicht. Und natürlich gibt es in der Physik das Prinzip der Entropie, dass sich Drücke auf ganz lange Sicht ausgleichen und das passiert letztlich auch im Windkessel, dass die Luft im Windkessel im Lauf der Zeit immer weniger wird. Das heißt, man muss ganz einfache hydraulische wieder nachlüften, aber auch da wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts, der 1920er an ein System von einem Schweizer entwickelt, das eine automatische Belüftung des Windkessels erzeugte, dass also auch hier der Windkessel wartungsfrei funktioniert. Und das macht eben dieses wirklich faszinierende System, diese faszinierende mittlere Technologie des hydraulischen Widders aus. In meinem Gespräch mit Florian Nagler sind wir auch auf dieses Themenfeld der mittleren Technologien gelangt und wir haben beide über unsere Erfahrungen mit hydraulischen Widdern gesprochen.

Ich bin ja aufgewachsen an einer kleinen Grenzstadt am Inn, auf der österreichischen Seite, und da gibt es ja diese Terrassen, die Richtung Inn und Salzach abfallen, wo, wo sehr viel Quellen herauskommen, auf der österreichischen Seite, und da habe ich als Kind, das hat mir mein Vater gezeigt, den hydraulischen Widder, wo quasi mit einfachster Technologie die Fließenergie des Wassers genutzt wird, um es nach oben zu pumpen, wo natürlich Wasser so überreich vorhanden sein muss, dass man quasi verschwenderisch damit umgeht, was da der Fall ist. Und das ist ein ganz ein einfaches Gusseisentrumm aus dem 19. Jahrhundert, und das hat, wie ich Kind war, in den 1960er, 70er noch einwandfrei funktioniert.

Florian Nagler:

Hatte ich vor 10 Jahren, haben wir ein Projekt gehabt und ich kannte das auch bis dahin nicht. Und dann hat er ein älterer Kollegin gesagt, ja, da können wir ja vielleicht einen Widder einsetzen, weil da ging es um Autarkie im ländlichen Bereich, und das war auf so einer Kuppel und auf der anderen Seite drüben, da gab es eine Quelle und dann können wir einen Widder einsetzen und dann hat er mir das erklärt und bin dem nachgegangen, weil es ja super. Ja, schöne einfache Technologie ist ja genau, also kenn ich seit 10 Jahren. Vorher war es mir auch völlig, ja, unbekannt.

Friedrich Idam:

Aber das ist ja die Frage, warum sind uns diese Dinge unbekannt, die sind eben verdrängt worden. Also ich unterstelle wirklich der Industrie dieses Prinzip der geplanten Obsoleszenz, wo diese Dinge letztlich aus dem Bewusstsein verdrängt werden, und ich glaube, es ist wirklich ein Prozess ist, wo diese Dinge aus dem Bewusstsein der Gesellschaft verdrängt werden und damit weg sind. Und sie werden vermutlich jetzt den Studenten wieder erzählen von Hydraulischen Widder, also sie nehmen die Tradition wieder auf.

Florian Nagler:

Mir ist was eingefallen, weil wir bei Ihnen in Wien ja auch bei dem Vortrag und Sie haben diesen Türklopfer, also ich hab jetzt den Begriff vergessen, wie sie das genannt haben

Friedrich Idam:

Intermediate Technology. Mittlere Technologie.

Florian Nagler:

Genau und finde es super. Und dann hab ich neulich, stand ich an der Kreuzung und neben mir war eine Mutter mit einem Lastenfahrrad und da saß ein Kind vorn drin. Ich würd mal sagen, es war noch nicht 2 und hatte das Handy in der Hand und hatte auf dem Handy hin und her gewischt und dann musste ich an ihrem Türklopfer denken und ich hab mir gedacht, das Kind würde nicht wissen, wie sie diesen Klopfer überhaupt anfassen soll und die wird sicher an der Tür irgendwas nach links und rechts zu wischen. Ich weiß nicht. Wir machen schon auch, also wir machen viel Unfug, also gerade weil es diese Technik anbelangt, hab mich gefragt, sozusagen, was ist jetzt in dieser Zeit, wo also für diese Generation, die da kommt, was ist da quasi so eine einfache Intermediate Technology, ist das wirklich der Türklopfer oder ist es für die schon ganz was anderes?

Friedrich Idam:

Das ist sehr starkes Bild, was sie jetzt entworfen haben. Das Kind mit dem Handy im Lastenfahrrad, da brechen ja die Welten auseinander.

Florian Nagler:

Ja, Wahnsinn, gell? Also die die Eltern versuchen, alles vorbildlich zu machen und bringen das Kind mit dem Lastenfahrrad in die Schule und nur mit dem Rad. Wir haben kein Auto und gleichzeitig geben sie dem Kind des Teufelszeug in die Hand.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

Feed-URL
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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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