Simple Smart Buildings

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Transkript

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Ein paar Gedanken zur Höhe von Räumen.

Auf den ersten Blick ganz pragmatisch würde man vielleicht davon ausgehen, dass sich die Höhe von Räumen nach der Körpergröße der Menschen richtet, dass die Raumhöhe vielleicht ein bisschen größer sein sollte als der größte Mensch, dass sich der an der Decke nicht den Kopf anstößt. Oder dass mit zunehmender Körpergröße der Menschen, mit zunehmender Durchschnittskörpergröße sich auch die Höhe der Räume entsprechend erhöht.

Dem ist aber nicht so. Wenn wir durch Gebäude der verschiedensten Epochen gehen, wenn wir Räume aus unterschiedlichen Zeiten erleben.

Werden wir sehr hohe Räume finden, werden wir sehr niedrige Räume finden. Und ich bin davon überzeugt, dass sich die Raumhöhe nicht nur aus den körperlichen Bedürfnissen der Menschen entwickelt hat, sondern auch aus kulturellen Zusammenhängen und auch aus Machtdemonstrationen. Ich glaube, es gibt einerseits immer das Gefälle, dass repräsentative Räume, dass Räume, mit denen Macht gezeigt werden soll, immer sehr hoch sind. Da fallen mir spontan die gotischen Kathedralen ein mit diesen extrem hohen Hallen, mit diesen Kirchenschiffen, mit diesen Mittelschiffen, mit ihren Gewölben, die natürlich durch die Technik des Spitzbogens die Vertikale noch stärker betonen und extrem hoch sind.

Und vielleicht genau in dieser Epoche der Gegensatz, was noch an mittleralterlicher, anonymer, profaner Architektur erhalten geblieben ist und die Häuser der ärmsten Menschen sind in den seltensten Fällen erhalten geblieben, da sind dann die Räume sehr nieder. Also Raumhöhe als Ausdruck einer sozialen Stellung, als der Ausdruck von Macht.

Raumhöhe ist aber auch etwas, das sich im Durchschnitt jeweils vielleicht auch vom wirtschaftlichen Hintergrund einer Epoche verändert. Also einerseits die extrem hohen Sakralräume der Gotik, dann kommt die Phase des Dreißigjährigen Krieges, des Niedergangs in Europa. Soweit überhaupt Renaissance nördlich der Alpen stattfindet, sind die Räume spürbar niedriger. Dann die Zeit des Barocks, des Wiedererstehens Europa, da werden die Räume wieder höher. Und so wechselt das im Lauf der Geschichte, wenn wir dann Ende des 18. Jahrhunderts, Anfang 19. Jahrhundert, die Napoleonischen Kriege, eine Zeit des abermaligen Niedergangs in Europa und in der darauffolgenden Zeit in Biedermeier sind ja die Wohnräume extrem niedrig. Also wenn man jetzt Wiedermeier und barocke Wohnräume vergleicht, da geht es ja durchaus um einen Meter, den die Raumhöhe abnimmt und dann im Lauf des 19. Jahrhunderts, der Gründerzeitboom mit dem Widerstarken der Wirtschaft werden auch die Räume höher. Dann kommen Ideen, ich habe in der Episode über das Lüften kurz einmal darüber berichtet, die Lebensreformbewegung, wo es um Luftvolumina geht,

wo es um Gesundheit geht. Da werden dann aus dem Krankenhauswesen kommen, wo man noch mit der Miasmentheorie, Wenn man in der Theorie mit den schlechten Lüften, mit den schlechten Dünsten glaubt, dass da die Krankheitserreger drinnen stecken, was ja gar nicht so falsch war, weil man quasi mit einer nicht zutreffenden Theorie dennoch das Richtige gemacht hat und eben die Krankenseele entsprechend hochgestaltet hat, sodass dort entsprechende Luftvolumina vorhanden waren. Das Galleiche galt natürlich dann für die Schulbauten, wo man entsprechend hohe Räume wählte.

Und dann mit Ende dieser Blütezeit des 19. Jahrhunderts die Katastrophe des Ersten Weltkriegs, der neuerliche wirtschaftliche Niedergang und in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wieder sehr, sehr niedrige Räume. Da geht es einerseits darum, für die Errichtung dieser niedrigen Räume auf alle Fälle die Baukosten zu sparen, weniger Baumaterial zu brauchen und natürlich es geht um die Beheizung. Ein niedriger Raum ist viel schneller und viel leichter beheizt als ein hoher Raum, hat aber dann auch entsprechende andere räumliche Qualitäten. Mit dem Boom, der am Ende der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzt, in der NS-Architektur, werden die Räume wieder sehr hoch und wieder nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Wiederaufbau der 1950er-Jahre, gilt wieder ein ähnlicher Pragmatismus. Also es gilt, wieder zu sparen und die Räume werden wieder sehr niedrig und steigen dann langsam gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder zu etwas größeren Raumhöhen an. Und jetzt finde ich es eigentlich sehr spannend, wie sich dieses Thema weiterentwickeln wird. Wir stehen einerseits vor immer höher werdenden Energiepreisen, also hier natürlich die Idee Energie zu sparen, hier wäre wieder das Zukunftsmodell der niedrige Raum. Andererseits natürlich die Erkenntnisse der Lufthygiene, das heißt der etwas höhere Raum und vor allen Dingen, ich denke jetzt mit unseren extrem dichten Gebäudehüllen und wenn dann auch nicht ein entsprechender mechanischer Luftwechsel stattfindet oder dieser Luftwechsel nicht funktioniert.

Dann wird in so niedrigen, dichten Räumen die Luft zum Atmen sehr schnell ausgehen.

Andererseits denke ich auch an Raumerlebnisse, wie man zu hohe oder zu niedrige Räume erlebt. Ich kann mir vorstellen, einen niedrigen Raum als drückend zu erleben. Ich kann mir aber auch vorstellen, in einem hohen Raum verloren zu sein. Es ist auch ganz interessant, wie unterschiedlich die Räume klingen. Hohe Räume klingen natürlich anders als niedrige Räume. Und dieser Verlauf, diese quasi Wellenbewegung durch unsere europäische Baugeschichte, wie sich die Raumhöhe einerseits an menschlichen Bedürfnissen, aber andererseits auch aus gesellschaftlichen Gegebenheiten entwickelt. Ich glaube, diese Wellenbewegung ist noch lange nicht zu Ende und ich bin sehr neugierig, wie sich die Raumhöhen in den nächsten Jahren entwickeln werden.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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