Nach einer längeren Pause heute wieder einmal ein Gedanke zu einem Muster von Christoph Alexander.
Christoph Alexander hat ja in den 1960er, 1970er Jahre die Mustersprache, A Pattern Language des Bauens formuliert. Ich denke, darin sind sehr viele sehr interessante Gedanken enthalten. Ich habe in dieser Podcast-Reihe schon einige dieser Muster von Christoph Alexander besprochen. Ich stelle in die Show Notes einen Link, wo sie direkt zusammengefasst zu einer Übersicht über die bereits von mir besprochenen Muster kommen.
Heute geht es um das Muster 159, Licht von zwei Seiten in jedem Raum. In mehreren Mustern, auch etwa im Muster 107 Gebäudeflügel mit Tageslicht, beschäftigt sich Christoph Alexander mit der großen Bedeutung von Tageslicht in unseren Räumen.
Von der Bedeutung des Tageslichts für uns Menschen, wie es uns geht, ob wir uns jetzt in Räumen mit Kunstlicht aufhalten oder in Gebäuden, die mit Tageslicht versorgt sind, oder in Räumen, die mit Tageslicht versorgt sind. Und da geht es natürlich auch um eine Fundamentalkritik des Bauens, des Bauens in der Moderne, wo es einfach um Verdichtung geht, wo es darum geht, in einer Gebäudehülle möglichst viele Räume, möglichst viele Wohnungen unterzubringen. Und natürlich gibt es Tendenzen, wie die Versiegelung des Bodens möglichst zu minimieren, also möglichst kompakte Gebäude zu errichten. Der Ansatz, kompakte Gebäude zu errichten, kommt natürlich auch aus Überlegungen des Wärmeschutzes, um in eine möglichst kleine, umhüllende Fläche möglichst viel Raum unterzubringen. Aber diese kompakte Bauweise hat oft den Preis, dass das mit einem Verlust an Tageslicht, einem Verlust an natürlicher Belichtung in den Räumen verbunden ist. Und ich denke, da gibt es eben immer das Abwägen und ich glaube, es gibt immer mehrere Lösungswege. Und zum Beispiel, wenn wir jetzt an die Problematik der Bodenversiegelung denken, da gibt es, denke ich, auch den Lösungsweg des Sanierens des Bestandes, also nicht neu zu bauen, sondern Bestandsbauten zu sanieren. Mit der Optimierung der Gebäudehülle wird es möglicherweise schon schwierig, aber vielleicht hilft uns auch hier die Tendenz, dass sich unser Klima von den kalten Wintern eher zu den warmen Sommern verschiebt. Dass also in unseren Breiten möglicherweise der Verlust von Heizenergie über die Gebäudehülle sich in den nächsten Jahren nicht mehr so dramatisch darstellen wird. Aber zurück zu dem Gedanken Alexanders, Licht von zwei Seiten in jenem Raum. Er nennt so als Negativbeispiel, wie ein Gebäude nicht belichtet sein sollte, eine Ikone der modernen Architektur. Er nennt die Unité d'Habitation von Le Corbusier, die Mitte 1940er Jahre geplant und gebaut worden ist.
Das ist ein Riesenwohnblock in Marseille und der zeichnet sich jetzt dadurch aus, dass er ein gewaltiges, verdichtetes Raumvolumen darstellt. Aber um diese Verdichtung zu erzielen, sind die einzelnen Wohnungen sehr schmal und sehr, sehr tief. Also die sind sieben, acht Meter tief und besitzen jeweils nur eine Belichtungsmöglichkeit von der sehr schmalen, relativ kleinen Fassadenfläche. Dann gibt es im Gebäude diese mittige Erschließung, also eine Mittelflurschließung und dann wird diese Situation auf der anderen Seite des Gebäudes gespielt. Und wo es dann, denke ich, sehr dramatisch wird, ist dann jeweils an den Kopfenden des Gebäudes, an den Kopfenden dieses Blocks wäre es ja möglich, die Räume von zwei Seiten zu lichten. Aber hier ist dann Le Corbusier sehr, sehr konsequent, indem er auf diese Gebäudeköpfe wieder die um 90 Grad gedrehte Raumsituation wieder auch auf die Kopfflächen drauf sitzt, dass also auch hier keine Überheckbeleuchtung möglich ist. Und die Seitenflächen dieser draufgesetzten Elemente, die sind dann wirklich komplett dichte Betonflächen.
Auch hier wäre natürlich es locker möglich, Fenster anzubringen und von zwei Seiten Licht in den Raum zu bekommen. Aber da geht es eben um eine Architektur, die nicht von innen heraus gedacht ist, die nicht gedacht ist, wie schaffe ich Licht in den Räumen, sondern da geht es um einen Formalismus und durch das. Die Möglichkeit, mit Kunstlicht Räume zu erhellen, sind in unserer modernen Architektur quasi alle Gebäudeformen möglich, weil die Versorgung mit Tageslicht auf den ersten Blick nicht mehr als so wichtig erscheint, weil ja Kunstlicht als Ersatz zur Verfügung steht.
Aber aus physiologischer Sicht, und da gibt es zahlreiche Studien, wie Tageslicht auf den Menschen wirkt. Und ich glaube, wir brauchen ja nicht die Studien. Wir wissen das ja selbst. Also meine persönliche Erfahrung ist, wenn ich in Räume komme, die eine schöne, interessante Versorgung mit Tageslicht, mit Sonnenlicht besitzen, bin ich ehrlich gesagt einfach glücklich. Also das spüre ich einfach unmittelbar, dass es mir gut geht. Und wenn ich mit anderen Menschen rede, da spiegelt sich dieses Thema wieder und andere Menschen bestätigen mir das. Also ich glaube, ich bin vielmehr davon überzeugt, das ist wirklich so eine Grundkonstante. Und daher glaube ich auch, dass es sehr wichtig ist, auf diese Versorgung mit natürlichem Tageslicht zu gehen. Bei Wohnräumen zu achten. Und Christoph Alexander stellt jetzt immer etwas sehr Interessantes fest. Wenn man Räume betrachtet, welche nur an einer Raumseite Fenster haben, so gibt es hier sehr starke Hell-Dunkel-Kontraste. Also dort, wo die Fenster sind, ist es sehr hell. Die Flächen zwischen den Fenstern sind wesentlich dunkler. Es gibt einerseits bei den Fensterbereichen Blendungen, bei den Zwischenbereichen Situationen, wo man gar nicht so gut sieht.
Alexander begründet das auch, das Wohlfühlen, wenn man sich mit mehreren Menschen oder mit einem anderen Menschen in einem Raum aufhält, Wenn man mit diesem Menschen spricht, so ist ein ganz, ganz wichtiger Teil der Kommunikation auch das Minenspiel. Und das Minenspiel des Gegenübers kann man bei ausgewogenen, ausgeglichenen, nicht kontrastigen Lichtverhältnissen viel, viel besser beobachten. Und daher läuft auch die zwischenmenschliche Kommunikation in gleichmäßig belichteten Räumen viel besser ab als in kontrastigen Räumen. Und die Lösung ist eben dieses Licht von zwei Seiten. Und wenn das Licht von zwei Seiten kommt, dann werden eben diese dunklen Zwischenbereiche, diese kontrastigen Bereiche ebenfalls ausgeleuchtet und die Lichtstimmung im Raum ist viel angenehmer und viel besser. So eine Grunderfahrung ist, wenn die Räume etwa vier bis fünf Meter tief sind.
Dann ist in diese Tiefe mitgegangen. Herkömmlichen Fenstergrößen mit herkömmlichen Raumhöhen, eine ausreichende Belichtung möglich. Alles was tiefer ist als diese 4-5 Meter, da ist es in den rückwärtigen Zonen einfach zu dunkel, wie zum Beispiel in der vorgenannten Unité d'Habitation von Le Corbusier, wo man dann in den hinteren Bereichen natürlich das Kunstlicht braucht. Es gibt natürlich die Möglichkeit, tiefere Räume auch mit Tageslicht auszuleuchten. Das sind dann größere Fensterflächen und höhere Räume.
Wenn die Wände sehr dick sind, wie das bei alten Häusern der Fall ist, da können auch die Fensterlaibungen mithelfen. Wenn man hier sehr tiefe, abgeschrägte Fensterlaibungen hat, so gibt es auch über diese Laibungsflächen wieder Lichtreflexionen, die auch wieder eine ausgeglichenere Lichtversorgung dieses Raumes erlauben. Mein Klassiker ist natürlich auch der Erker, wo man mit einem kleinen Teil des Außenraumes quasi vor die Fassade tritt und hier natürlich dann die Möglichkeit sogar hat, Licht von drei Seiten zu beziehen. Und genau diese Erker sind, dann stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Raum, der einen Erker besitzt und ganz automatisch zieht es Sie zu diesem Erker hin. Sie gehen in diesen Erker, Sie sitzen in diesem Erker, weil eben dort diese zutiefst befriedigende Lichtsituation herrscht.
Es gibt die Möglichkeit, wenn die Räume sehr seicht sind und ich sitze hier in meinem Haus in Hallstatt, das ja quasi ein sehr länglicher, gestreckter Grundriss ist. Also es besitzt viele Fenster nach vorne. Es sind drei Räume hintereinander gestaffelt und die Räume an den Ecken haben jeweils die Situation der Möglichkeit, das Licht von zwei Seiten über Ecke. Aber es gibt eben jeweils in der Mitte einen Raum, der zwischen diesen beiden Eckräumen positioniert ist. Und da gibt es nur das Licht von vorne und das sind definitiv die weniger attraktiven Räume.
Allerdings sind die durch diese bauliche Situation dieses Hauses an der Felswand so seicht. Die sind nur etwa zweieinhalb Meter tief, sodass hier das Licht von der Rückwand des Raumes wieder reflektiert wird zu den dunklen Bereichen zwischen den Fenstern, dass auch hier die Lichtstimmung nicht so kontrastig ist. Im Dachgeschoss ist in diesem mittleren Raum das Badezimmer positioniert und da gibt es an der Rückwand, an der der Front gegenüberliegenden Wand einen großen Spiegel und natürlich dieser große Spiegel verstärkt diesen Effekt der Reflexion sehr stark. Das heißt, da ist der ganze Raum hell und das heißt, das funktioniert entweder mit Spiegeln, aber vor allen Dingen auch mit Farbe. Also wenn Sie da die Rückwände entsprechend hell gestalten, weiß kalten, dann haben Sie auch noch eine akzeptable Lichtversorgung. Das heißt, es geht letztlich um den Grundriss des Gebäudes. Eine Möglichkeit, dieses Erkermotiv noch weiter zu spielen, ist letztlich im Grundriss eine Abtreppung. Wenn Sie den Grundriss abtreppen, dann bekommen Sie auch immer wieder Räume, wo eine Belichtung von zwei Seiten möglich ist. Allerdings, das Problem ist dann die Dachform. Es sind dann quasi für jede Grundrissabtreppung ist eine eigene Dachlösung erforderlich und das macht die Sache wieder sehr kompliziert. Das gilt natürlich auch für Reihenhäuser. Wenn Sie wirklich Reihenhäuser in einem ähnlichen Grundrisstypus errichten, wie die jetzt schon zweimal genannte Unite d'Habitation von Le Corbusier, dann haben Sie genau dieses Belichtungsproblem. Wenn Sie aber die Reihenhäuser zum Beispiel abgetreppt errichten und quasi jedes Reihenhaus mit einer eigenen Dachlösung, dann haben Sie eben die Möglichkeit dieser Lichtversorgung von zwei Seiten.
Allerdings das Einfachste und das sind diese ganz, ganz alten Kreuzgrundrisse, also stellen Sie sich vor, einen quadratischen Gebäudegrundriss und in diesem Gebäudegrundriss liegt ein Kreuz, das dieses große Quadrat wieder in vier kleine Quadrate unterteilt. Dann haben sie eben eine sehr archaische Grundrissform, wie sie eben zum Beispiel beim sogenannten Eckflurtypus vorkommt, wo eben eines dieser kleinen Quadrate den Flur bildet, wo über Eck erschlossen wird, dann die folgenden zwei Quadrate zusammengefasst sind in einen 1 zu 2 proportionierten Raum, der dann von drei Seiten das Licht bekommt und einen vierten Raum, der traditionellerweise zum Beispiel als Küche funktioniert hat, der große 1 zu 2 proportionierte Raum als Stube. Das heißt, wenn man wieder an diese ganz einfachen archaischen Grundrisstypen denkt, Dann funktioniert von der Betrachtung der Lichtversorgung aus auch dieser Grundriss sehr gut und ist letztlich eine zeitlose Form eines Gebäudes.