Simple Smart Buildings

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Friedrich Idam:

Heute zu Gast in Simple Smart Buildings, Rita Mullen. Rita Mullen ist Architektin, hat zuerst in der Schweiz in einem Architekturbüro gearbeitet und dann einige Jahre im Vereinigten Königreich in England und hat dort Erfahrungen im Bereich Denkmalpflege gesammelt. Rita Mullen ist jetzt Universitätsassistentin an der TU Wien in der Abteilung für Denkmalpflege und sie hat mit einer Dissertation gestartet. Das Thema sind erdberührende Bauteile historischer Bauten. Also wie waren in der Vergangenheit die Bodenaufbauten, wie kann man diese Bodenaufbauten modifizieren, um deren energetische Performance zu verbessern, um deren Feuchte-Abwehreigenschaften zu nutzen, also auch zu schauen, was gab es in der Vergangenheit, was kann man daraus lernen. Du stehst ja mit dieser Forschung noch am Beginn, du stellst erst die Fragen, aber in der Praxis, du bist auch dabei ein altes Haus zu sanieren und hast vor kurzem einen Kalkestrich in deinem Haus verlegt.

Rita Mullen:

Ja, hallo Fritz, vielen Dank für die Einladung.

Friedrich Idam:

Welche Erfahrungen konntest du beim Einbau eines Kalkestrichs bei deinem Haus sammeln?

Rita Mullen:

Ja, Kalkestriche interessieren mich schon seit einigen Jahren, weil ich erstens damit in Berührung gekommen bin in England bei meiner Arbeit als Architektin. Viele Kalkestriche eingebaut, gesehen habe und auch deren Vorteile kennengelernt habe. Bei uns ist das Wissen zu Kalkestrichen leider fast ausschließlich verloren gegangen. Also Baufirmen schütteln nur den Kopf, wenn man sie fragt, ob man einen Kalkestrich im Haus einbringen kann, weil Zement natürlich das vorwiegende Material ist im Moment bei uns, das verwendet wird. Und die Vorteile von einem Kalkestrich, gerade im historischen Gebäudebau, ist natürlich die Dampfdiffusionsoffenheit. Also feuchteregulierend kann auch wirken. Es ist natürlich sehr schwierig in Erdgeschosszonen oder Kellerzonen, die Feuchtigkeit so zu regulieren, dass sie nicht in gewisse Bauteile eingesperrt werden. Und das wollte ich bei unserem Haus beim Umbau auch schaffen. Und meine Erfahrungen mit dem Kalkestrich sind diese, dass der Kalkestrich an sich ist ein sehr einfaches Material. Man kann das sehr einfach mischen mit Sand und Kalk als Bindemittel. Man kann auch noch andere Zustoffe dazugeben.

Friedrich Idam:

Vielleicht jetzt eine Zwischenfrage. In welcher Form hast du den Kalk verwendet? War das ein Calciumhydroxid, ein gelöschter Kalk oder ein ungelöschter Kalk?

Rita Mullen:

Bei mir war es ein gelöschter Kalk. Es gibt verschiedene Rezepturen. Ich habe für mich die einfachste gewählt, und zwar einen natürlichen hydraulischen Kalk NHL5. Das ist einer, der eine sehr starke Kompressionsstärke hat, die stärkste bei Kalk. Und diese Mischung mit, ca. 2,5 Teilen Sand zu einem Teil Kalk mit NHL5 ist eine Standardmischung, die in England sehr oft verwendet wird.

Friedrich Idam:

In England, wenn ich das jetzt korrekt, bedeutet ja diese Abkürzung Natural Hydraulic Lime.

Rita Mullen:

Genau, ja, deswegen NHL. Das ist die Abkürzung für den.

Friedrich Idam:

Aber es wird in Österreich produziert. Ich kenne einen Produzenten im Burgenland in St. Margareten. Woher hast du denn den NHL bezogen?

Rita Mullen:

Ja, es gibt weitere Produzenten. Es gibt auch einen Vorarlberger Produzenten in Österreich. Aber ich habe mich aus Kostengründen für einen französischen Kalk entschieden. Das ist natürlich nicht die lokalste und ökologischste Variante gewesen, den Transporter noch in Kauf zu nehmen. Aber der war im Vergleich wesentlich günstiger. Und mit dem haben auch sehr viele meiner Kollegen schon gute Erfahrungen gemacht.

Friedrich Idam:

Vielleicht für unsere Hörerinnen und Hörer noch zur Präzisierung. Ich habe ja hier auf diesem Podcast schon einige Episoden über Kalk gemacht, über das Kalkbrennen, auch über das Scheitern eines Kalkbrandes. Es ist ja in der Kalktechnik einerseits die Idee vom Ausgangsmaterial, von Calciumcarbonat zu brennen, das CO2 auszutreiben, dass letztlich Calciumoxid übrig bleibt. Und je nachdem, wenn beim Ausgangsmaterial auch noch andere Substanzen dabei sind, können auch hydraulische Komponenten entstehen. Und dieser Kalk, wo quasi reines Calciumcarbonat das Ausgangsmaterial ist und das CO2 ausgetrieben wird, das ist Kalk im ursprünglichen Sinn des Wortes und der härtet durch CO2-Aufnahme wieder aus.

Rita Mullen:

Genau.

Friedrich Idam:

Das nennt man auch einen Luftkalk, während wenn beim Ausgangsmaterial auch andere Substanzen, zum Beispiel Tonmineralien dabei sind und die entsprechend hoch gebrannt werden, entstehen auch sogenannte hydraulische Komponenten. Ganz extrem ist das beim Zement, da wird dann auf 1400 Grad gebrannt. Es sind sehr viele hydraulische Komponenten und das bedeutet, dass dieses Bindemittel unter Wasseraufnahme aushärtet. Und beim niedrighydraulischen Kalk, da sind relativ viel Kalkkomponenten, also viele sogenannte Luftkalk, also CO2-Härter dabei und relativ wenig hydraulische. Ist das so halbwegs richtig umrissen, wie ich das jetzt dargestellt habe?

Rita Mullen:

Ja, genau. Also vor allem mit der CO2-Bilanz, weil du das angesprochen hast, dass der auch wieder CO2 aufnimmt, der Kalk beim Härten. Da ist der große Unterschied zwischen Kalk und Zement. Also Kalk besteht meistens auch aus einem Gemisch aus Ton und Kalk. Das wird Mergel genannt, genauso wie beim Zementklinker auch. Aber der große Unterschied ist eben, dass Kalk bei etwa 900 Grad gebrannt wird. Und wie du schon gesagt hast, Zementklinker wird bei 1450 Grad erhitzt und gebrannt und das überschreitet die Sintertemperatur. Und da sind auch diese Eigenschaften, die dann der Kalk besitzt, verloren gegangen. Es entstehen andere Eigenschaften, die für die Bauproduktion auch von Vorteil sein können. Aber die CO2-Aufnahme ist nicht mehr gegeben beim Aushärten. Und dadurch ist der Kalk von der CO2-Bilanz ein wesentlich günstigeres Material. Natürlich wird beim Brennen auch CO2 verwendet. Beim Brennen stößt nicht nur der Kalk CO2 aus, sondern auch die Energie, die man braucht, um das so hoch zu brennen. Also man hat immer einen gewissen CO2-Verlust, aber wenn man den Kalk alleine anschaut, ist er eigentlich sozusagen CO2-neutral, was eine sehr schöne Eigenschaft ist vom Kalk natürlich, im Hinblick auf den Klimawandel.

Friedrich Idam:

Und wenn man beim Brennstoff dann zum Beispiel Holz verwendet, und ich weiß, es gibt in Niederösterreich auch Versuche, quasi mit Holzpellets zu befeuern, beziehungsweise Hackschnitzel, wenn dann noch beim Brennstoff ein sehr hoher Holzanteil dabei ist, dann hat er dieses Holz in seinem Vorleben als Baum bereits CO2 akkumuliert, sodass man dann auf eine relativ gute CO2-Bilanz kommt.

Rita Mullen:

Genau, ja. Natürlich in der heutigen Kalkproduktion, in der Großproduktion, in der industriellen wird tendenziell eher Gas verwendet. Aber früher hat man natürlich Holz, am besten Buchenholz oder hart brennendes Holz verwendet, aber auch Kohle. Und ich war auch einmal bei einem Kurs dabei, wo wir über Kalk gebrannt haben. Da haben wir auch Kalk selber gebrannt mit einem selbstgebauten Mini-Ofen. Das hat wunderbar funktioniert. Aber wir haben in dem Fall auch Kohle verwendet, einfach um die Temperaturen auch schneller in die Höhe zu bekommen.

Friedrich Idam:

Ja, ja. Und ist NHL, ist das in England eigentlich ein Standardbindemittel oder ist es dort weiter verbreitet als bei uns?

Rita Mullen:

Ja, es ist dort sehr weit verbreitet, aber es gibt auch keine industrielle Produktion mehr in England. Also das wird sehr oft kritisiert, auch in England. Der Kalk wird in den meisten Fällen aus Frankreich eingekauft. Und ja, also gerade in der Denkmalpflege ist das natürlich auch sehr kritisch betrachtet, weil es gibt eigentlich sehr viele Kalkvorkommen auch in England. Es gibt, so wie in Österreich, gab es sehr viele Kalkbrennereien, lokale Kalkbrennereien, die aber mittlerweile fast alle gestorben sind.

Friedrich Idam:

Ja, das ist immer das große Thema. Handwerkliche Produktion wird von industrieller Produktion verdrängt. Aber ich denke, das wird sich vielleicht auch einpendeln, wenn die Transportkosten wieder wahrer werden. Also wenn mehr Wahrheit in den Transportkosten steckt, wäre das natürlich eine Stärkung für lokale Produkte.

Rita Mullen:

Ja, das wäre wünschenswert auf jeden Fall.

Friedrich Idam:

Aber jetzt zurück wirklich zu deinem Estrich. Also du hast Sand. War das ein besonderer Sand? Hast du da geachtet rundkörnig oder kantkörnig oder ist das nicht so wichtig vom Zuschlagstoff?

Rita Mullen:

Beim Estrich selbst ist das gar nicht so wichtig. zumindest nach den Rezepten, die ich gefunden habe. Ich habe jetzt auch noch nicht so viel Erfahrung mit verschiedenen Rezepten, aber ich habe einen ganz normalen Estrichsand bei einem Baufachhandel bestellt. Ich habe eine kleinere Körnung gewählt. Also Estrichsande können ja bis zu 18 Millimeter groß sein, soweit ich weiß. Ich habe eine Körnung zwischen 0 und 4 Millimeter gewählt. Aber zum Aufbau bei mir ist das ein bisschen ein speziellerer Aufbau. Ich wollte auch eben thermisch den Boden verbessern und ich habe eine Fußbodenheizung verlegt. Das heißt, der Bestand war aufgeschüttet mit Erde und Kies gemischt. Teilweise war ein späterer Zementestrich drinnen, auch eine Bitumenschicht. Das habe ich alles entfernt. Und in einem Raum waren noch die historischen Polsterhölzer und Fußbodendielen drinnen, die leider aber durch spätere Aufbauten, die nicht dampfdiffusionsoffen waren, gelitten haben und sehr vermorscht waren. Also ich habe ein bisschen abgegraben und habe gedämmt, in dem Fall mit Perliten. Man kann aber auch mit Schaumglas-Schotter dämmen.

Friedrich Idam:

Perlite, das ist Blähglimmer. Also das ist wie ein Popcorn, also Klimamineralien werden aufgepoppt und werden dadurch voluminöser und luftiger.

Rita Mullen:

Das ist das Gleiche wie beim Schaumglas oder wie bei Blähton. Also all diese Materialien werden aufgebläht, damit sie porös sind und auch eine dämmende Wirkung haben. Beim Schaumglas wird dafür recyceltes Glas verwendet, also von der Ökobilanz eigentlich sehr gut. Und bei Blähton wird eben Ton verwendet, wie der Name schon sagt. Und all diese drei Produkte sind aufgebläht, dass sie eine Dämmwirkung haben. Und man kann sie als Schüttung einbringen, man muss sie ein bisschen verdichten. Schaumglas-Schotter muss man mit einer Rüttelmaschine verdichten und per Litte verdichten. Mit dem Körpergewicht sozusagen. Also es wird nicht wahnsinnig verdichtet und darauf kann man dann den Estrich aufbringen.

Friedrich Idam:

Aber es sind alles mineralische Dämmstoffe und aufgrund ihrer mineralischen Grundstruktur letztlich über sehr lange Zeiträume feuchtigkeitsresistent.

Rita Mullen:

Genau. Und wenn man eine gewisse Schütthöhe in Betracht zieht, dann sind sie auch kapillarbrechend, was natürlich bei bodenberührten Aufbauten ein Vorteil ist und auch notwendig bei einem Kalkestrich. Ja, also man kann diese kapillarbrechende Wirkung natürlich auch mit einem beliebigen Schotter leisten. Der hat natürlich dann aber keine Dämmwirkung.

Friedrich Idam:

Das heißt Kapillarität ist einfach, dass in sehr feinen Strukturen andere physikalische Verhältnisse herrschen und ähnlich wie beim Baum in den Zellen des Baumes, in den Leitzellen quasi Wasser entgegen der Schwerkraft nach oben gesaugt wird. Und wenn diese Hohlräume hinreichend groß sind, sind eben diese kapillaren physikalischen Zustände nicht mehr gegeben und das Wasser kann nicht mehr aufsteigen.

Rita Mullen:

Genau, ja.

Friedrich Idam:

Es ist ein Thema, das ich noch sehr interessant finde. Du hast vorher kurz angesprochen, dass du auch eine alte Bitumenabdichtung entfernt hast. Du vertrittst ja quasi eine Meinung gegenüber der Lehrmeinung. So in Standard-Hochbau-Vorlesungen lernt man ja, nach unten möglichst abzudichten, möglichst mit Bitumen zu flämmen, möglichst zementgebundene Estriche einzubauen, um eine möglichst hohe Dichte zu erzielen. Du sprichst hingegen von Diffusionsoffenheit. Was ist deiner Meinung nach die Stärke von diffusionsoffenen, erdberührenden Bodenaufbauten?

Rita Mullen:

Ja, also ich möchte da ganz speziell unterscheiden zwischen Neubau und historischem Altbau und bei historischem Altbau speziell auf die Häuser eingehen, die vor 1900 gebaut sind. Und diese Zeiteinteilung nehme ich, weil es gibt, Da einfach große Unterschiede in der Materialproduktion. Also etwa ab 1900 wurden auch wirklich standardmäßig hoch erhitzte Ziegel verwendet, wurde Zement, wie schon vorher erwähnt, auch hoch erhitzt gesintert. Es gibt einfach andere Baumaterialien im 20. Jahrhundert, die andere baupysikalischen Eigenschaften haben. Und davor wurde einfach nicht so dicht gebaut wie im 20. Jahrhundert. Und wenn man jetzt historische Gebäude bearbeitet, umbaut, adaptiert, wie auch immer, muss man einfach darauf achten, dass man im System bleibt, weil man sonst neue Probleme erschafft. Also was standardmäßig oft gemacht wird, das habe ich oft gesehen, Kunden wünschen sich eine trockene Erdgeschosszone oder trockenen Keller. Die erste Baufirma, die sie fragen, sagt natürlich, wir müssen alles von innen abdichten mit Bitumen. Die nächste Baufirma sagt, man muss Injektionen machen und die Mauerfeuchte verhindern, dass das weiter aufsteigt.

Rita Mullen:

Es gibt viele Lösungen, die allerdings meistens weitere Probleme bringen, weil die Feuchtigkeit dann irgendwo eingesperrt wird und nicht entweichen kann und somit größere Probleme bringt, als wenn sie gleichmäßig in alle Richtungen diffundieren kann.

Friedrich Idam:

Und nebenbei kosten diese Maßnahmen auch noch sehr viel Geld.

Rita Mullen:

Genau, ja.

Friedrich Idam:

Und deine Philosophie ist eben, diffusionsoffen zu bleiben. Und du hast ja auch erzählt, dass du bei dem Estrich, den du jetzt in deinem Haus eingebaut hast, eine Fußbodenheizung einbaust, hilft natürlich dann diese Fußbodenheizung auch mit, den Raum und das Gebäude überhaupt trocken zu halten.

Rita Mullen:

Ja, es hilft natürlich, die Wärme auch gleichmäßig zu verteilen. Also Radiatoren gab es in dem Haus schon. Die waren allerdings auch für die Räume teilweise sehr ungünstig verteilt, dass sich die Wärme nicht gut im Raum verteilt hat. Und mit der Maßnahme des neuen Bodenaufbaus haben wir uns gedacht, es ist sinnvoller, Niedrigtemperaturheizung auf eine Fläche einzubringen. Und in dem Fall war der Estrich auch wirklich eine günstige Gelegenheit, die Heizung einzubringen, auch weil die Masse da ist, um das aufzuwärmen. Was man bei Kalkestrich dazu sagen muss, es gilt so eine Faustregel, dass der mindestens 10 cm hoch sein soll. Man kann das in mehreren Schichten machen. In unserem Fall haben wir es auch in zwei Schichten gemacht. Aber so wie heutige Zementestriche mit vier oder fünf Zentimetern, das genügt beim Kalkestrich nicht.

Friedrich Idam:

Und auch bei Heizestrichen, denke ich, geht man ja auch bei Zementestrichen eher in den Bereich von acht Zentimetern Stärke.

Rita Mullen:

Genau, auch eben um die Masse zu nutzen, die man dann aufwärmt.

Friedrich Idam:

Aber jetzt habe ich dich vorher unterbrochen beim Bodenaufbau. Du hast dieses Perlite eingebracht, dann durch Körpergewicht verdichtet. Wie hoch hast du diese Perlitschicht ausgeführt, damit sie kapillarbrechend wirkt?

Rita Mullen:

Also bei Perliten muss das mindestens 15 Zentimeter sein. Wir sind nicht wesentlich weiter drüber gegangen. Wir haben etwa 16, 17, 18 Zentimeter je nach Ausgrabtiefe, einfach weil die Dämmwirkung dann schon gegeben war, die wir angestrebt haben. Auf den Perliten haben wir dann so eine Baupappe, eine Wellpappe aufgelegt, einfach um eine Trennschicht zum feuchten Estrich, der ja trotzdem im Vergleich zum Zementestrich sehr trocken eingebracht wird.

Friedrich Idam:

Also das ist so eine Pappe, wie man sie etwa, wenn man Maler arbeiten in der Wohnung hat, als Schutz auf den Boden legt.

Rita Mullen:

Genau, das ist einfach eine Pappe. Auf der Unterseite ist sie gewählt und oben ist sie glatt. Und ist eben auch dampfdiffusionsoffen, um da auch im System zu bleiben sozusagen. Darauf haben wir dann die erste Schicht Kalk-Estrich eingebracht, die noch dazu eine Dämmschicht ist mit Blähton gemischt.

Friedrich Idam:

Also ich rekapituliere jetzt Mauersand 0 bis 4, NHL 5. Ich habe aber jetzt vergessen das Mischungsverhältnis Bindemittel-Zuschlagstoff.

Rita Mullen:

Ja, das variiert zwischen den Rezepten zwischen zwei und drei Teilen Sand zu Einteilen Kalk. Also wir haben 2,5 Teile Sand zu ein Teil Kalk genommen.

Friedrich Idam:

Und noch etwas Blähton.

Rita Mullen:

Ja, in dem Fall war es wirklich Blähton bei der unteren Schicht vom Estrich. Da ist eine andere Rezeptur, die habe ich jetzt nicht auswendig im Kopf. Da wird sehr viel Blähton verwendet, ganz wenig Sand und als Bindemittel wieder der NHL5, damit man eine dämmende Estrichschicht hat. Da haben wir, weil auch das Level nicht ganz gleichmäßig verteilt war, haben wir vier bis sieben Zentimeter Schichthöhe gehabt. Also im Schnitt fünf bis sechs. Und darüber wurde dann schon am nächsten Tag die Fußbodenheizung aufgelegt. Also um auch die Schnelligkeit der Verarbeitung zu verdeutlichen, also wir haben, die Kellerwohnung bei uns ist 50 Quadratmeter groß und in einem Tag haben drei Arbeiter den Kalk-Estrich eine Schicht eingebracht.

Friedrich Idam:

Wurde der in einer gewöhnlichen Freifallmischmaschine hergestellt oder in einer Estrichmaschine mit Pumpe?

Rita Mullen:

Man kann beides machen. Also man kann Kalkestrich an sich mit einem großen Betonmischer anliefern lassen. Dazu muss er allerdings ein bisschen flüssiger sein, damit das auch durch die Rutsche gepumpt werden kann. Es wird auch empfohlen, dazu ein bisschen Seife zu geben, damit die Rutscheigenschaft erhöht wird. Da haben wir aber keine Firma gefunden, die das macht. Und in unserem Fall, auch von den Größen, war das gar nicht notwendig. Haben wir einen Beton-Handmischer genommen. Und vor Ort gemischt und gleich eingebracht. Dann kann man auch trockener arbeiten. Also bei Kalk-Estrich ist es wichtig, so trocken wie möglich das Gemisch einzubringen.

Friedrich Idam:

Man kann ja, es ist meine Erfahrung, NHL-Kalk wird ja in Säcken in Pulverform geliefert. Der ist ja ganz ähnlich wie Zement, außer von der Farbe, er ist natürlich deutlich heller. Aber von der Verarbeitung her, während ich habe auch gemischt mit Calciumhydroxid, also mit Sumpfkalk, mit Weißkalk, das ist in einem Standard-Freifallmischer sehr, sehr schwierig. Da verklumpt das Material und da habe ich die Erfahrung gemacht, das geht in einem sogenannten Zwangsmischer dann deutlich besser.

Rita Mullen:

Ja, also mit Sumpfkalk habe ich jetzt nur Erfahrungen bei Putzen. Da habe ich meistens einfach händisch gemischt und das ging auch immer sehr gut. Einfach kleinere Mengen händisch mischen mit der Kelle oder auch mit einem Mischer, also so einem Quirl quasi.

Friedrich Idam:

So einem Baumixer, ja genau.

Rita Mullen:

Baumixer, genau. Das geht eigentlich auch ganz gut. Kann ich mir auch beim NHL vorstellen, dass das mit so einem Baumixer ganz gut geht.

Friedrich Idam:

Aber in eurem Fall, also ihr habt das in der Mischmaschine, im Freifallmischer gemischt und dann mit Scheibtruhen zum Einbauort gebracht.

Rita Mullen:

Genau, ja. Und wie gesagt, das war wirklich am nächsten Tag schon so fest, dass es begehbar war. Trocken ist es natürlich nicht, weil ein Kalkestrich braucht sehr, sehr lange zum Trocknen, wirklich zum Durchtrocknen. Man sagt, nach 28 Tagen hat er die Kompressionsfeste, die er haben soll und auch die Trocknungsfeste, dass man weiter Dinge einbringen kann im Bau. Aber es gibt verschiedene Messungen. Die zeigen, dass vor allem größere Kalkschichten bis zu zwei Jahre brauchen, um wirklich durchzutrocknen.

Friedrich Idam:

Wobei ja hier zwei Begriffe sind einerseits das Trocknen, der Verlust von Feuchtigkeit und das Aushärten, was ja letztlich eine Feuchtigkeitsaufnahme zum Teil ist. Beim NRH ist es eine Mischfunktion, die Reaktion. Einerseits wird Wasser aufgenommen, andererseits wird natürlich auch CO2 aufgenommen. Da laufen quasi diese chemischen Vorgänge und es ist natürlich auch die Feuchtigkeit notwendig als Katalysator, damit die Karbonatisierung, die CO2-Aufnahme funktioniert. Würde es zu schnell trocknen, könnte auch die CO2-Aufnahme nicht mehr vollständig erfolgen. Also man muss sich da einfach Zeit lassen.

Rita Mullen:

Ja, das stimmt. Und weil du auch die CO2-Aufnahme ansprichst, man muss da auch auf die Aufbauhöhen achten. Also zu hohe Aufbauhöhen können nicht gewährleisten, dass überall CO2 aufgenommen wird. Also man spricht da von maximal 20 Zentimetern, die man in einem Schritt einbringen kann eigentlich.

Friedrich Idam:

Und bei dir waren es eben zwei Schritte. Zuerst der Blähton-Estrich, auf dem dann die Rohre der Fußbodenheizung verlegt wurden. Aber du hast die Erfahrung gemacht, dass das nach 24 Stunden bereits begehbar war.

Rita Mullen:

Genau, ja. Also ohne Probleme konnten die Installateure die Fußbodenheizung dann installieren, darauf begehen und dann am übernächsten Tag wurde dann schon die nächste Schicht eingebracht. Das war dann jetzt die klassische Rezeptur mit dem 2,5 Teilen Sand und einem Teil Kalk und das ist auch in einem Tag eingebracht worden, eine Schicht von 6 Zentimetern. Bei uns ist das jetzt erst drei Tage her. Ich möchte sie noch nicht begehen. Also wir haben schon immer wieder jeden Tag geschaut, wie es ihr denn geht, der Schicht. Es ist jetzt auf jeden Fall schon fester geworden, aber man kann noch leicht eindrücken. Das heißt, ich möchte da noch ein paar Tage warten, bis ich da wirklich drauf gehen kann. und es ist auch die Empfehlung, 28 Tage zu warten, bis man die Fußbodenheizung auftritt. Die ist jetzt mit Luftdruck gefüllt, damit die Rohre auch gedehnt sind und dann startet man langsam mit dem Ausheizen des Estrichs.

Friedrich Idam:

Also sie sind bereits so mit Überdruck aufgepumpt, dass sie schon so groß sind von der Ausdehnung, als wenn sie wären, wenn man das warme Wasser durchschickt.

Rita Mullen:

Das weiß ich jetzt nicht, ob das genauso breit ist, aber es geht auch darum, man testet auch das System mit dem Luftdruck, ob alles dicht ist.

Friedrich Idam:

Ob es überhaupt dicht ist, ja.

Rita Mullen:

Genau, aber es soll eben aufgepumpt bleiben, damit halt die Ausdehnung zumindest zu einem gewissen Grad gegeben ist.

Friedrich Idam:

Ja, und dass die Ausdeckung quasi schon vorweggenommen ist und dann die Rissbildung, wenn dann die Heizung wirklich mit warmem Wasser. Ich nehme an, du wirst ja damit Vorlauftemperaturen zwischen 20 und 25 Grad in das System einspeisen.

Rita Mullen:

Ja, also unser Installateur hat auch empfohlen, dass man ganz niedrig startet und jeden Tag 5 Grad höher schaltet, dass man wirklich sanft das System hochfährt sozusagen. Dann geht man einmal auf eine höhere Vorlauftemperatur bis zu 40 Grad und dann geht man wieder langsam zurück auf eine normale Temperatur.

Friedrich Idam:

Zum Estrich noch, hast du seitlich einen sogenannten Randstreifen eingebaut oder bist du direkt berührend ans Mauerwerk gegangen?

Rita Mullen:

Ja, also wegen der Trittschalldämmung haben wir einen Randstreifen aus Kork angelegt an die Mauern. Wenn man natürlich die Wärme auch in die Mauern leiten will, dann ist das eher kontraproduktiv. Aber wir haben auch einfach an die Trittschalldämmung gedacht und wollten das System entkoppeln.

Friedrich Idam:

Da ist es dann wirklich von der Situation abhängig, welchen Effekt man mehr oder weniger stärker. Wie immer im Bauwesen ist es ein Kompromiss. Es ist quasi immer der Kompromiss, was ist einem wichtiger. Es gibt keine hundertprozentig ideale Lösung.

Rita Mullen:

Ja, es gibt vielleicht manchmal ideale Lösungen, aber in den meisten Fällen sind es Kompromisse. Das ist auf jeden Fall so.

Friedrich Idam:

Und ist der Estrich bereits der endgültige Bodenbelag? Ist er die Oberfläche veredelt oder kommt auf diesen Kalkestrich noch ein Bodenbelag drauf?

Rita Mullen:

Also in unserem Fall ist es nicht der Endbelag, aber man kann Kalkestriche einfach so einbringen, glatt streifen. In unserem Fall ist es einfach mit einer glatten Kelle glatt gestrichen worden. Also man sieht auch den Kellenschlag, was ja auch sehr schön sein kann. Ja. Das kann man dann auch noch polieren und den Bodenbelag noch veredeln, also die Oberfläche behandeln mit zum Beispiel Leinöl oder Wachs. Das wurde schon seit der Antike so gemacht. Ich habe einen interessanten Punkt gefunden, wie auch 7.000 Jahre vor Christus schon die Oberflächen behandelt worden sind bei Kalkestrichen, also eben mit Leinöl. Und Wachs, wie es auch jetzt noch ist, aber auch mit in Rotwein gelöschten Kalk. Das fand ich sehr interessant und vielleicht mache ich irgendwann mal dazu Experimente, wer weiß.

Friedrich Idam:

Ja, da gibt es ja wirklich die interessantesten Rezepturen, historische Rezepte zu Mörtel zusetzen. Und das ist ja jetzt dein Forschungsfeld, wo du mit großer Neugierde an dieses Projekt gehst.

Rita Mullen:

Genau, also ich schaue mir in meiner Forschung vor allem an, wie sind historische Konstruktionen und Materialien verwendet worden bei erdberührenden Bauteilen. Was hat sich bewährt und was hat sich in der Geschichte auch nicht bewährt? Also die Themen, die sich nicht bewährt haben, sind eigentlich eher neuere Punkte. Also ganz oft sieht man bei Häusern ja so einen Betontraufenpflaster rund ums Gebäude, was meines Erachtens auch meistens kontraproduktiv ist, um den feuchten Haushalt zu regulieren, eines historischen Gebäudes. Dann sieht man ganz oft auch, so wie bei unserem Haus auch, so Entfeuchtungs- oder Entlüftungslöcher oder Röhrchen, Im Sockelbereich, da gibt es interessante Untersuchungen vom Fraunhofer-Institut, die gezeigt haben, dass die einfach komplett wirkungslos sind. Wahrscheinlich sogar teilweise eher kontraproduktiv, weil sie Wärmebrücken erzeugen. Ja, und oft wurde natürlich auch Zement im Sockel verwendet, der teilweise kontraproduktiv ist. Und das, was wir vorher schon angesprochen haben, Bitumenschichten oder Folien im Inneren, die einfach die Feuchtigkeit dann meistens in den Mauern aufstauen.

Friedrich Idam:

Bei den historischen Konstruktionen ist es ja relativ schwierig, historische Konstruktionen zu finden, welche sich nicht bewährt haben, weil die sind natürlich dann häufig schon in der Vergangenheit entfernt worden, eben wegen ihrer schlechten Eigenschaften. Es sind eigentlich im historischen Bestand in erster Linie Konstruktionen übrig geblieben, welche sich bewährt haben.

Rita Mullen:

Ja, das stimmt natürlich. Also man sieht aber auch bei historischen Gebäuden, die noch nicht so verändert worden sind, kann man auch Probleme finden. Also so ist es ja nicht. Also auch wenn jetzt Holz nicht genügend vor Feuchtigkeit geschützt wurde, das kann dann auch erst nach Jahrhunderten sein oder nach Jahrzehnten, je nachdem, ergeben sich auch manchmal Probleme. Aber es gibt unterschiedliche Aufbauten, die sehr interessant sind, finde ich. Wie schon vorher gesagt, Schüttungen aus normalem Boden mit Schotter, die aufgeschüttet worden sind. In unserem Fall waren dann eben Polsterhölzer einfach in den Boden gelegt, wobei man dazu sagen muss, dass die Aufbauhöhe mindestens 500 Millimeter war in den meisten Fällen. Also man sieht ja auch bei historischen Gebäuden, dass der Sockelbereich erhöht ist. Also im Normalfall ist man ein paar Stufen hinaufgegangen in ein Gebäude, um einfach die Feuchtigkeit nicht in die Wohnräume zu bringen.

Friedrich Idam:

Was mir oft aufgefallen ist bei historischen Bodenkonstruktionen, so wie du es beschrieben hast, dass die Polsterhölzer dicht am Boden gelegen sind, zwischen den Polsterhölzern, oft Erde oder Lehm und ganz selten Hinterlüftungen. Also dass quasi keine Luft eindringen konnte und dadurch auch kein Feuchtigkeitseintrag durch warmfeuchte Luft, wie es oft im Frühling der Fall ist, die dann an den noch kalten Bauteiloberflächen kondensiert.

Rita Mullen:

Ja, diesen sogenannten Suspended Floors bin ich oft in England begegnet. Also diesen, wie du sagst, hinterlüfteten oder eingeschobenen Böden. Die gibt es in England schon früher als bei uns. Also ich weiß es jetzt nicht genau, aber ich denke seit dem 18. Jahrhundert wurden die oft verwendet. Und da gibt es wirklich oft Probleme mit Feuchtigkeit an den Holzbalken. Vor allem auch dann mit nachträglicher Dämmung, wo das Ganze dann nochmal abgedichtet worden ist von oben, wo dann die Feuchtigkeit dann auch nicht mehr entweichen kann.

Friedrich Idam:

Ja, ich kenne es auch mit, weil du vorher diese Belüftungsöffnungen genannt hast, also ich habe mit einem alten Hausbesitzer gesprochen, der relativ große historische Entlüftungsöffnungen unter dem Boden hatte, die natürlich dann an die Sockel-Außenseite gingen und der hat mir berichtet, dass er die saisonal öffnet, traditionell, also dass er quasi von seinem Vater übernommen, also immer im Winter. Wenn kalt-trockene Luft war, geöffnet und im Frühling und den Sommer über verschlossen. Das ist natürlich für den Feuchtigkeitshaushalt sehr geschickt und gut. Andererseits natürlich von der Energiebilanz ungünstig, wenn ich natürlich im Winter mit kalter Luft hinterlüfte. Aber ich finde es ein sehr, sehr spannendes Thema. Und wir sind in dem Bereich, den du jetzt mit deiner Dissertation zu beforschen beginnst, eigentlich keine einschlägigen Forschungen bekannt. Wie ist da der Stand der Forschung?

Rita Mullen:

Ja, ich finde eben auch, dass es sehr schwierig ist, da schon wirklich relevante Forschung zu finden. Also ich habe schon das Fraunhofer-Institut erwähnt, die haben natürlich bauphysikalische Untersuchungen schon sehr viele gemacht seit den 60er Jahren, wo es um Feuchtigkeit geht oder auch eben um so nachträgliche Ertüchtigungsmöglichkeiten, die untersucht worden sind. Kapillar aufsteigende Grundfeuchte oder hygroskopische Feuchte, Taufeuchte, all diese Themen sind schon beleuchtet worden, aber so gesamte Systeme sind oft nicht möglich. Nicht wirklich erforscht, kommt mir vor. Und auch nicht so, wie wir schon geredet haben, so bewährte Aufbauten, wie die eigentlich wirklich funktionieren. Es gibt sehr viele Bauteilkataloge, historische, aber auch da findet man ganz wenig zu erdberührenden Bauteilen. Was ich sehr interessant finde, weil das ist natürlich der Grundstein, wenn man ein Haus beginnt zu bauen. Warum es da so wenig Detailzeichnungen gibt, weiß ich eigentlich nicht und wundert mich auch. Und mir ist das eben aufgefallen und deswegen habe ich mich dafür

Rita Mullen:

entschieden, meine Forschung diesem Thema zu widmen.

Friedrich Idam:

Liebe Rita, ich danke dir sehr, sehr herzlich für dich im wahrsten Sinn tiefen Einblicke in die Bodenaufbauten. Und ich würde dich sehr gerne wieder einmal zu einem Gespräch in Simple Smart Buildings einladen, Wenn du mit deinen Forschungsergebnissen weitergekommen bist und ich bitte dich einfach, mich dabei auf dem Laufenden zu halten.

Rita Mullen:

Ja, vielen Dank für das nette Gespräch. Ich hoffe auch, dass ich mit meinen Forschungen weiterkomme und dass ich dann wieder berichten kann davon.

Friedrich Idam:

Dankeschön.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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