Friedrich Idam:
Heute zu Gast in Simple Smart Buildings wieder Günther Kain, Zimmerermeister und Bauphysiker. Wir haben in der vergangenen Episode über eine Messreihe bei Kastenfenstern gesprochen, die du heuer im Sommer 2024 durchgeführt hast. Und wir haben in dieser Episode auch schon andiskutiert, dass du parallel dazu auch an der Ökobilanzierung von Kastenfenstern gearbeitet hast. Vielleicht zur Einführung für unsere Hörerinnen und Hörer, was genau steckt hinter einer solchen Ökobilanzierung?
Günther Kain:
Eine Ökobilanz ist eine Methode, wo man die Umweltwirkung von Tätigkeiten bzw. Produkten bewertet. Die Vorgangsweise ist kurz gefasst jene, dass man eine sogenannte funktionelle Einheit definiert, zum Beispiel ein Quadratmeter Wand oder ein Auto 100 Kilometer fahren. Eine Einheit, auf die sich die restliche Betrachtung bezieht. In weiterer Folge wird für dieses Produkt, für diese Einheit erfasst, welche In- und Outputs zur Erstellung, zur Benutzung, zur Entsorgung entstehen. Und dabei fällt wieder ein Begriff, die Definition der Systemgrenzen. Das heißt, man legt in dieser Phase fest, ja welchen Teil des Lebenszyklus betrachtet man überhaupt.
Friedrich Idam:
Vielleicht aber erweiternd zum Thema Systemgrenzen. Es gibt einerseits die Systemgrenzen, die du jetzt genannt hast, die zeitlichen, aber ich glaube auch zum Ersten, also zur Definition der Einheit gibt es ja auch klare materielle Systemgrenzen. Wir haben ja quasi für unser Fenster, um eine Vergleichbarkeit mit industriellen Fenstern gewährleisten zu können, haben wir ja als Systemgrenze die Außenkante des Fensterstocks genommen. Also wir haben ganz bewusst darauf verzichtet, auch den Anschluss des Fensters an die Wand zu betrachten, um die Vergleichbarkeit mit anderen Systemen gewährleisten zu können.
Günther Kain:
So viel in materieller Definition, wie du sagtest, und vielleicht gleich anschließend die zeitliche Schiene war bei uns, das Fenster im Falle der neuen Fenster zu produzieren, beziehungsweise im Setting der erhaltenen Fenster diese instand zu setzen, in weiterer Folge das Fenster über 30 Jahre hinweg zu nutzen. Und dann haben wir abgeschnitten. Wir haben die Entsorgungsphase, also das Ausbrechen von Fenstern und deren Entsorgung, in diesem Fall weggenommen, weil es ja zum Beispiel beim Kastenfenster unwahrscheinlich ist, dass ich es nach 30 Jahren entsorge. Man kann da relativ leicht den Lebenszyklus über mehrere Jahrhunderte führen.
Friedrich Idam:
Wobei auch zum Beispiel, wir haben ja als Vergleichssystem ein Kunststofffenster genommen und da habe ich vorgestern, da war eine sehr interessante Tagung in der Kartause Mauerbach, wo es um Kreislaufwirtschaft ging und da habe ich die Information bekommen, dass die Entsorgung von Kunststofffenstern insofern jetzt sehr große Probleme aufwirft, weil darin größere Mengen Blei enthalten sind und in der EU jetzt eine neue Richtlinie gilt, die gerade Blei als Giftstoff, als Problemstoff definiert. Und da wird es jetzt sehr schwierig, diese Kunststofffenster als konventionellen Abfall thermisch zu behandeln. Da treten jetzt die Probleme auf, dass man die als Sondermüll betrachten muss. Aber das ist quasi in unserer Ökobilanzierung nicht drinnen, weil wir die Systemgrenze dort gesetzt haben nach den 30 Jahren Nutzung und die Entsorgungs- oder die Abfallbehandlungsphase nicht mehr mit einbezogen haben.
Günther Kain:
Diese Erkenntnisse haben wir übrigens gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur, mit dem dortigen Institut für Abfallwirtschaft und der Professor Salhofer erstellt. Ja, die weiteren Schritte der Ökobilanz sind dann, dass man diese In- und Outputs der verschiedenen Lebenszyklusphasen und daher der Name in einer Bilanz zusammenstellt, aufsummiert und da kommen dann Emissionen, Luftemissionen, materielle Emissionen, Energieinputs, die volle Palette zusammen. Und diese werden nun hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen bewerten. Und da ist das System jenes, dass es Wirkkategorien gibt. Die bekannteste ist das Treibhauspotenzial, wobei eine Wirkkategorie dadurch entsteht, dass man Emissionen, die eine Auswirkung in dieser Hinsicht haben, auf eine sogenannte Äquivalenzeinheit zusammenfasst. Und diese ist beispielsweise beim Treibhauspotenzial das Kohlendioxid. Das heißt, das Treibhauspotenzial wird dann in Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalenten ausgedrückt.
Friedrich Idam:
Und bei den meisten dieser Kategorien ist der Energieeintrag der entscheidende Parameter bzw. Aus welcher Quelle diese Energie gewonnen wurde.
Günther Kain:
Ja, das durften wir zu unserer Überraschung lernen, dass in unserer Bilanz sozusagen die viel zitierte graue Energie, das was in einem System drinnen steckt, zwar ein Thema ist, allerdings jetzt in unserem Setting mit diesen 30 Jahren Nutzung, der Haupteinflussfaktor in den meisten Wirkkategorien, nicht in allen, in den meisten, schon die Nutzung im Sinne, wie du sagst, des Energieinputs ist. Und deswegen hat die Art der Energiebereitstellung einen sehr großen Einfluss auf die Ergebnisse.
Friedrich Idam:
Wenn du jetzt vielleicht zusammenfassen könntest, was so die wesentlichen Ergebnisse innerhalb der genannten Systemgrenzen waren.
Günther Kain:
Naja, wichtig ist vielleicht, weil wir schon dabei waren, das Treibhauspotenzial. Wie gesagt, Fenster instand Setzen oder neu machen und dann 30 Jahre betreiben ist das System. Und beim Treibhauspotenzial ist es so, wir haben uns angeschaut, wie sieht es aus, wenn ich das historische Fenster instand setze, aber belasse, wie es ist. Szenario 2 war, das historische Fenster mit einer neuen Verglasung an der Innenflügelebene zu versehen. Wir haben dort sogenannte K-Gläser eingesetzt, die kurz gesagt den U-Wert verbessern.
Friedrich Idam:
Das heißt, das sind ganz gewöhnliche 3 mm starke Glasscheiben, auf denen eine infrarotstrahlungsreflektierende Schicht aufgedampft ist.
Günther Kain:
Genau, der Hintergrund war, diese könnte man recht unproblematisch in die historischen Flügel einsetzen, ohne größere Umbauarbeiten. Und die dritte Variante war, historisches Fenster rausnehmen, entsorgen und anstatt dessen ein Kunststofffenster durchschnittlicher Bauart einzubauen. Und Treibhauspotenzial sieht so aus, bei erstgenannter Variante ca. 2100 kg. Der Glastausch führt zu ca. 1500 kg CO2 und das Kunststofffenster gewinnt in dieser Betrachtung mit 1100 kg Emission CO2. Allerdings, vielleicht noch kurz, die Energieform, die dahingestellt ist, ist sozusagen ein Durchschnittswert für Österreich, wo neben grünem Strom auch einiges zum Beispiel aus Verbrennungsprozessen drinnen steckt.
Friedrich Idam:
Da ist auch noch der reale Anteil an fossiler Energie abgebildet, der zurzeit in Österreich verbraucht wird.
Günther Kain:
Genau. Man kann natürlich da nun einen anderen Energiemix unterstellen. Und da zeigt sich, dass gerade beim Klimawandel dies einen sehr, sehr starken Einfluss hat. Wenn man zum Beispiel jetzt die Wärmeenergie für die Beheizung des Raumes aus grünen Quellen gewinnt, dann ist ja plötzlich das CO2-Potenzial viel geringer, Weil zum Beispiel bei der Holzverbrennung wissen wir alle, das Ganze in einem quasi neutralen Kreislauf geschieht.
Friedrich Idam:
Oder wenn man etwa Erdwärme nutzt. Genau.
Günther Kain:
Und darum, und das ist vielleicht eines der wesentlichen Erkenntnisse dieser Studie, ist es erforderlich, dass man bei der Bewertung von Bauteilen auch intensiv darüber diskutiert, welche Energieform nutzt man, weil Energie wird man in den meisten Fällen relativ signifikant brauchen.
Friedrich Idam:
Ich habe jetzt noch eine Frage zu dem betrachteten System, zu den Systemgrenzen. Im vorigen Podcast war es ja auch Thema der Performance-Verlust von Isoliergläsern, das nach 30, 40 Jahren diese Edelgasfüllung ausdiffundiert und dann der Wärmedurchgang durch ein Isolierglasfenster sich ähnlich verhält wie bei einem Kastner. Wenn wir also jetzt über die Systemgrenze hinaus blicken, so einen Ausblick in die Zukunft, wie schätzt du das ein, wie das dann weiter verläuft, wenn man eben dann die ständig schlechter werdende Performance der Isolierverglasung des Kunststofffensters mit einbezieht?
Günther Kain:
Naja, das ist relativ klar. Wenn man jetzt vereinfacht unterstellt, dass dieser Performanceverlust linear verläuft, dann kann man in der vereinfachten Betrachtung schlägt man sozusagen dem heutigen Glas die Hälfte des Unterschieds zum sozusagen schlechten Zustand zu. Also man rechnet nur mit dem Durchschnitt des U-Werts und das würde vereinfacht gesagt natürlich dazu führen, dass sich die Vorteile des Kunststofffensters gegenüber jetzt dem historischen Fenster stark relativieren. Und sogar, wenn man jetzt auch eine grüne Energieform unterstellt, in erster Näherung die beiden Handlungsoptionen in Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen in etwa ident sind.
Friedrich Idam:
Geschätzte Hörerinnen und Hörer, Sie werden jetzt ein bisschen schon herausgehört haben, dass wir über die Ergebnisse dieser Ökobilanzierung so aus dem ersten Punkt schon frustriert waren. Es ist in der Forschung immer unangenehm, man hat eine Lieblingshypothese, man geht davon aus, dass historische Fenster ist aufgrund seiner langen Nutzungsdauer schon auf den ersten Blick energieeffizienter und dann beginnt man zu forschen und dann entstehen auf einmal Ergebnisse, die der eigenen Hypothese, der eigenen Erwartungshaltung widersprechen. Da ist dann schon ein gewisser Frustrationseffekt, aber ich denke, als seriöser Naturwissenschaftler muss man das aushalten.
Günther Kain:
Unbedingt. Und sozusagen die alte Story, dass das Kastenfenster, wie du sagst, schon aufgrund seiner langen Lebensdauer besser wäre als das neue Fenster, ist so nicht haltbar. Also der Energieverlust über das Fenster hinweg ist aus ökologischer Sicht sehr wohl eine Dimension, die man betrachten muss. Umgekehrt zeigt sich aber auch, dass man die Systemgrenzen der Betrachtung schon klug wählen muss, um eine praktikable Aussage zu bekommen. Denn, es wäre jetzt überspitzt gesagt, auch nicht unbedingt ein Vorteil, wenn ich ein sehr gutes, im Sinne von dem, ein sehr gutes neues Kunststofffenster einbaue, der Energiemix für die Beheizung des Raumes aber zum Beispiel 100 Prozent aus fossilen Rohstoffen kommen stammt, dann ist die Gesamtperformance auch nicht gut. Also es braucht die integrative Betrachtung.
Friedrich Idam:
Und was wir jetzt natürlich in der Beschäftigung mit diesem Thema gelernt haben, ich denke, wir verstehen jetzt, die Funktion oder wie Ökobilanzen funktionieren, sehr viel besser. Und ich glaube, wir haben jetzt auch besser verstanden, wo wir die Systemgrenzen setzen müssen, oder wie wir eine Betrachtung verändern müssen, um wirklich optimal agieren zu können.
Günther Kain:
Beziehungsweise auch, wenn mir der Gedanke noch erlaubt ist, So ein Beispiel des richtigen Systemgrenze ist auch die Lüftung, weil das Kastenfenster verliert ja einen Teil seines Energieverlusts über konvektive Prozesse. Das war schon beim letzten Podcast Thema, also Luft, warme Luft, die sozusagen nach außen verloren geht. Das ist etwas, das beim hochdichten Kunststofffenster eher nicht der Fall ist. Gleichzeitig bewirkt aber dieser Luftstrom auch Lüftung des Raumes. Und wenn ich sozusagen jetzt die Belüftung des Raumes mitdenke, was ich konsequenterweise tun müsste, dann wird auch wieder diese Emission des Kastenfensters gemindert. Und dies beeinflusst die Ergebnisse sehr wesentlich. Wir haben das grob abgeschätzt. Also wenn man die Lüftung mitdenkt, dann wird man über die Lebensdauer hinweg noch einmal 1500 bis 3000 Kilowattstunden sozusagen gutschreiben können.
Friedrich Idam:
Du hast ja auch dann noch den Performance-Unterschied zwischen diesen Handlungsoptionen, also Handlungsoption 1, das historische Kastenfenster unter Anführungszeichen nur zu sanieren, also Beschläge neu einzustellen, eine optimale Dichtheit des Innenflügels, aber auch des Außenflügels, also hier die Performance entsprechend zu verbessern. Variante 2 einsetzen, eine neue Verglasung im Innenflügel mit sogenannten K-Gläsern. Variante 3 Fenstertausch, also ein Kunststofffenster einbauen. Und du hast dann das in Äquivalent von Autokilometern umgerechnet, wenn man mit einem Auto mit Verbrennungsmotor fährt, wie groß da der Unterschied ist im Vergleich zu diesen 30 Jahren Nutzungsdauer der Fenster.
Günther Kain:
Der Unterschied im Treibhauspotenzial von Handlungsoption Kunststofffenster und Handlungsoption Neues Glas an der Innenscheibe ist in etwa über die 30 Jahre hinweg 1489, also 1500 Kilogramm CO2. Und das entspricht in etwa 1000 Kilometer Autofahrt mit einem durchschnittlichen Diesel-Pkw. Also wenn Sie in erster Näherung, ich wohne im Salzkammergut, wenn ich zweimal nach Wien und retour fahre mit dem Auto, ist es in erster Näherung dieselbe Emission.
Friedrich Idam:
Also es ist der Unterschied nicht so bedeutend, aber er ist vorhanden. Das heißt, wenn wir jetzt wirklich noch tiefer ergründen möchten, wo vielleicht noch Vorteile des Belassens der historischen Konstruktion liegen, aus rein ökobilanzierender Sicht, denke ich, müssten wir auch neben den zeitlichen Grenzen, also dass wir über diese 30 Jahre hinausgehen und einfach eine längere Nutzungstau in Betracht ziehen, denke ich auch noch räumlich die Systemgrenze öffnen und auch noch den Anschluss des Fensters ans Mauerwerk betrachten. Wo siehst du bei dieser Erweiterung der Systemgrenze Potenziale, die für das historische Kastenfenster sprechen?
Günther Kain:
Wir haben bei der heurigen Messreihe auch Temperatursensoren an der Laibung des Kastenfensters gesetzt. Und da zeigt sich, das ist allerdings schon Gegenstand auch älterer Untersuchungen, dass die große Bautiefe des Kastenfensters im Vergleich zum Einfachfenster, also ein Einfachfenster liegt im Dezimeterbereich, ein Kastenfenster mindestens 2 Dezimeter, also 20 Zentimeter Tiefen. Und diese größere Bautiefe bewirkt nun, dass sich Fachjargon der Isothermenverlauf spreizt. Also die Linien gleicher Temperatur in der Wand rücken weiter auseinander und somit nimmt durchschnittlich gesehen der Temperaturgradient ab Und das führt dazu, dass die Laibung insgesamt wärmer ist.
Friedrich Idam:
Und da denkst du, dass hier signifikante Wärmemengen fließen oder denkst du, dass diese Wärmeflüsse im Vergleich zur Fensterfläche eher unbedeutend sind?
Günther Kain:
Also ich würde jetzt die Wärmeflüsse gar nicht so wichtig erachten, der Effekt ist sicher da, aber was viel spannender ist, gerade bei historischen Gebäuden kann ich ja im Regelfall den Fensteranschluss außen nicht überdämmen, weil es einfach keine Fassadendämmung gibt. Und in diesem gegebenen Fall ist beim historischen Fenster die Laibung, wie gesagt, wärmer als beim Einfachfenster und somit grundsätzlich schon einmal das Risiko für Bauschäden, Kondensat, Schimmel und so weiter, sehr viel geringer.
Friedrich Idam:
Das heißt, zusammenfassend, wir befinden uns hier in einer sehr komplexen Materie. Es ist alles sehr kompliziert und je tiefer wir in das Problem eintauchen, stellt sich für mich dar, desto schwieriger wird es, den realen Bestand in einem aussagekräftigen Modell abzubilden.
Günther Kain:
Ja, da stimme ich zu, aber ich warne jetzt auch davor, das irgendwie dystopisch zu sehen. Der Bestand ist kein Problem, aber die stark vereinfachenden Aussagen, die wir tendenziell heute im Bauwesen treffen, sind in sehr vielen Fällen einfach nicht zutreffend. Und man muss schon mit einem offenen Blick an die Aufgaben herangehen und auch sozusagen wohl angepasste Strategien der Sanierung finden. Und da ist gerade bei den Fenstern sehr oft die historische Konstruktion gar nicht so schlecht, wenn man eben nicht nur eine Größe betrachtet.
Friedrich Idam:
Ich war vor etwa 14 Tagen bei einer Tagung im österreichischen Klimaministerium. Da ging es um Innenraumklima und da habe ich zum ersten Mal einen Begriff gehört, den du vermutlich natürlich schon kennen wirst. Das ist der Begriff der Kühlgrattage. Bisher habe ich nur den Begriff der Heizgrattage gekannt und diese Heizgrattage haben wir ja bei der Bewertung des Fensters des Heizwärmebedarfs zugrunde gelegt. Könntest du bitte für unsere Hörerinnen und Hörer diese beiden Begriffe erläutern?
Günther Kain:
Naja, im Kontext von Heizgrad-Tagen schaut man sich an, erstens an wie vielen Tagen des Jahres man heizen muss, Dann für jene Tage, wo man heizen muss, da gibt es klare Grenzen, Temperatur referenziert, an den Tagen, wo man heizen muss, schaut man sich an, wie viel man heizen muss. Und indem man sozusagen das eine mit dem anderen multipliziert und über das Jahr aufsummiert, erhält man eine Maßzahl für das Ausmaß des Heizens während eines Jahres. Und bei den Kühlgrad-Tagen ist es entsprechend umgekehrt. Man schaut, wie viel Kelvin muss sich kühlen, um eben ein verträgliches Raumklima zu erhalten.
Friedrich Idam:
Und letztlich sind ja in der jetzt vorgestellten Bilanzierung die Kühlgrad-Tage noch nicht einberechnet. Also wir haben ja nur den Energiebedarf fürs Heizen untersucht.
Günther Kain:
Ja, mit dem Hintergrund, dass man zumindest in den Standard-Wohngebäuden ja noch nicht kühlt. Das ist ja doch noch eher Ausnahme in Österreich. Aber du hast natürlich recht, worauf du vermutlich raus willst, wenn man dann auch Kühlenergie einsetzt, dann muss man natürlich auch mitdenken, die Gesamtgebäudesubstanz, wo zum Beispiel in einem massiv steingemauerten Gebäude im Regelfall nicht gekühlt werden muss in unserem Klima.
Friedrich Idam:
Ja, aber ich referenziere auch darauf, dass du in der vorigen Episode erwähnt hast, dass der Referenzdruck im Sommer im Gebäude mit dem historischen Fenster niedrig ist, dass also ein Unterdruck besteht, wie denkst du, hängt das dann mit den umgekehrten Wärmeströmen, weil im Sommer möchte man ja nicht, dass die Kühle aus dem Raum entweicht.
Günther Kain:
Naja, es ist natürlich dann die Frage, wie viel warme Luft im Gegenzug konvektiv eingebracht wird und das hängt ganz stark davon ab, wie dicht die Konstruktion ist. Und natürlich auch im Sommer ist üblicherweise der durchschnittliche Luftwechsel höher. Das heißt, die Frage, bleibt das Fenster überhaupt geschlossen?
Friedrich Idam:
Also auch hier wieder sehr, sehr stark das Benutzerverhalten. Aber ich denke, da eröffnet sich in den nächsten Jahren sicher ein interessantes Forschungsfeld. Wie sieht die Kühlperformance von historischen Fenstern im Vergleich zu modernen Fenstern aus? Zu diesem Thema wissen wir eigentlich in Wirklichkeit noch gar nichts.
Günther Kain:
Nein, es gibt Untersuchungen unter anderem auch von uns zu Beschattungsideen im historischen Setting. Aber wie du sagst, ob sich das Fenster jetzt unter Kühllast unterschiedlich verhält, ist natürlich eine Frage, der man wird nachgehen müssen.
Friedrich Idam:
Das heißt einerseits, uns gehen die Forschungsthemen nicht aus?
Günther Kain:
Ja, Gott sei Dank.
Friedrich Idam:
Wenn wir weiter forschen, wird es hoffentlich neue Ergebnisse geben und dann haben wir natürlich auch noch Stoff für zukünftige Episoden des Podcasts Simple Smart Buildings. Günther, ich danke dir sehr herzlich für das Gespräch.
Günther Kain:
Ebenso, vielen Dank.
Friedrich Idam:
Danke.