Heringer:
Ja, ich danke euch für den für den tollen Bau dort. Das hilft.
Idam:
Im Rahmen des Lehmbau Workshops der Programmlinie Simple Smart Buildings der Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 entstand am evangelischen Friedhof von Bad Goisern eine Gedenkstätte für Sternenkinder. Der Entwurf stammt von der international renommierten Architektin Anna Heringer, die am 12. Oktober 2024 die Baustelle in Bad Goisern besuchte und von der Arbeit der Workshopteilnehmer begeistert war. Im Anschluss daran fand direkt im evangelischen Friedhof ein Gespräch mit Anna Heringer über die Intentionen ihres Schaffens statt.
Heute zu Gast in Simple Smart Buildings Anna Heringer. Anna Heringer, vielleicht ganz kurz beschrieben mit einem Buchtitel, in dem sie und ihr Werk vorgestellt wird: "The women who changed architecture". Anna Heringer ist eine Architektin, die eigentlich sehr früh damit begonnen hat, alternative Bauweisen, Bauen mit lokalen Baustoffen, das Bauen der kurzen Wege zu propagieren und arbeitet weltweit in Asien, in Europa, in Afrika. Anna Heringer hat in Linz an der Kunstuni bei Roland Gnaiger studiert, Anna Heringer hat Professuren an der ETH in Zürich, in Harvard, an der Kunstuniversität Linz und eine UNESCO Professur an der Universität Grenoble. Anna Heringer, ich möchte heute in unserem Gespräch eigentlich auf einen anderen Aspekt der nachhaltigen Architektur, des nachhaltigen Bauens, nicht die Zahlen und Fakten. Mir geht es darum, um Bauen und Schönheit. Welche ästhetischen Potenziale stecken für dich in der nachhaltigen Bauweise?
Heringer:
Also für mich. Du musst jetzt kurz aushören, die ich als Neunzehnjährige ein Jahr nach Bangladesch gegangen bin, da habe ich alles schöne daheim lassen, also alles schöne Gewand, alle allen Schmuck, weil ich mir gedacht habe, ich gehe ein armes Land da muss, da kann es nicht schön sein. Furchtbares, furchtbares Vorurteil furchtbarer Trugschluss. Und was mich erwartet hat in Bangladesch, war ein wunderschönes Land. Die Leute alle so, so farbig gekleidet, mit den unglaublichsten Farbkombinationen, immer geschmückt, immer irgendwie, selbst wenn, wenn die Armreifen als Ton war oder als Bambus, das war immer, also der Schmuck war was ganz was Essentielles, die Schönheit, und ich habe gemerkt, das hat mit Geld wirklich überhaupt nichts zu tun, sondern mit Menschenwürde, mit, mit Sorgfalt, mit der liebevollen Haltung und deswegen bin ich davon überzeugt, dass die Schönheit eigentlich auch ein Synonym für Nachhaltigkeit ist, weil Nachhaltigkeit letztendlich ist für mich, passiert dann, wenn man also energiebefohlen Handlung heraus agiert, wenn man liebevoll dem Armen gegenüber ist, sich selber natürlich auch und dem Planeten, also unsere Natur, dann passiert Nachhaltigkeit auf ganz natürliche Art und Weise, und Schönheit ist eigentlich ein formaler Ausdruck von Liebe, und da schließt sich wieder der Kreis. Also für mich ist wirklich das eine Einheit, die Nachhaltigkeit, die Schönheit und die Liebe.
Idam:
Du hast vorher den Begriff Handlung verwendet, da steckt für mich natürlich das Wort Hand drinnen. Gibt es für dich einen Zusammenhang zwischen Hand anlegen, handwerklicher Tätigkeit, handwerklicher Bauweise und Schönheit.
Heringer:
Ja, das ist vor allem der menschliche Maßstab, würde ich sagen. Also wenn wir ein Material kennen und das muss man eigentlich begreifen, also wir vom Lehmbau, ich habe selber als Praktikantin viel vom Martin Rauch gelernt, also wenn man das begreift mit der Hand und das Material dadurch wirklich versteht, dann entsteht die Architektursprache aus dem handwerklichen Begreifen im Prinzip. Aus dem, und dann lernt man wirklich, heh’ Auskragungen - bist du gescheit, da brauche ich einen Stahl, um das zu bewerkstelligen, weil das geht ja gar nicht. Wenn ich auf der Baustelle stehe und versuche das dann irgendwie ohne Stahl zu machen oder ohne alles. Das heißt, man muss wirklich ein Material begriffen haben, dass man dann wirklich gut damit entwerfen kann. Und auch, also gerade beim Lehmbau ist es so, dass der so viele Hände braucht und wenn ich mir denke, mein Gott, wie viele Hände haben diesen einen Quadratzentimeter Erde, die haben jetzt gestreichelt oder in der Hand gehabt oder geformt, das ist eine Energie, die da reinläuft. Und das ist für mich spannend, weil in Afrika, wo ich jetzt gerade in Ghana arbeite, in dem Kontext gibt es leere Objekte und es gibt Objekte, die sind aufgeladen mit Energie. Und die haben eine Kraft, die haben eine Seele. Und ich glaube, das passiert einfach durch solche Prozesse, wie wir es jetzt da auch gesehen haben, auf eurem Friedhof, in Bad Goisern, wo ihr jetzt als Gemeinde gemeinsam einen Raum für Sternenkinder geschaffen hat. Und die Energie und die ganzen Erinnerungen und Erlebnisse, die man miteinander teilt, das ist, wird da alles manifestiert; Geradeaus.
Idam:
Das ist alles aus, quasi durch die menschliche Arbeit etwas überbleibt. Dass die menschliche Arbeit in das Objekt einfließt und dass man das als sensibler Mensch spürt.
Heringer:
Ja, und vor allem verbindet es untereinander auch noch. Also wenn wir an früher denken, da haben wir gegenseitig uns geholfen, die Häuser zu bauen oder eine Kirche zu bauen oder ein Rathaus oder so. Und das ist natürlich, wenn du am Schluss dann vor dem Gebäude stehst, du weißt, heh’ das haben wir miteinander geschaffen. Das schweißt natürlich auch zusammen. Und das ist das, was unsere Gesellschaft im Prinzip jetzt wirklich fehlt. Also eigentlich mangelt es jetzt nicht an Materiellen, uns mangelt es vor allem an guten Beziehungen. Und das kann man eben durch ein miteinander Hand anlegen und miteinander was erschaffen. Da entsteht Verbindung.
Idam:
Wir waren ja gemeinsam vor ungefähr 14 Tage beim Symposium in Hallstatt, wo es eben über Architektur gegangen ist. Ich habe teilweise manche Dinge ein bisschen als Greenwashing eigentlich des Üblichen erlebt. Also man betoniert irgendwas in die Landschaft und sagt dann, die soziale Komponente ist es, dass die Leute aufs Dach raufgehen können.
Heringer:
Ja.
Idam:
Und in dieser doch, immer noch Mainstream-Architektur der Modernen ist ja die Schönheit ja doch woanders gesucht. Da wird ja die Schönheit gesucht in einer möglichst regelmäßigen Formensprache, in einer möglichst präzisen, in einer scharfkantigen Formensprache, aber letztlich auch in einer maschinellen Formensprache. Ich sehe in deinem Ansatz quasi einen Gegenentwurf. Welche Resonanzen erlebst du, auf deine Art an Architektur heranzugehen?
Heringer:
Also die Perfektion im normalen Architektur-Geschehen ist sehr hoch. Also man verspielt einen enormen Druck, alles perfekt zu machen. Und dann denkt man sich, mein Gott, heh’ und das Türdetail muss jetzt auch noch perfekt sein. Und ich denke mir mal, mein Gott, tut’s doch, tun wir uns doch uns lieber konzentrieren auf die Materialien, die man gar nicht sieht. Die ganzen Schadstoffvermeidungen und so weiter, die man eben nicht einbringt, wo man aber eigentlich viel Sorgfältiger oft planen muss und viel mehr Kämpfe ausfechten muss, eben, weil es nicht unbedingt der Norm entspricht manchmal oder weil es einfach nochmal mehr Überzeugungsarbeit braucht. Und das sind so die Sachen, wo man denkt, da müssten wir unsere Energie einsitzen und nicht in die Perfektion in der Formensprache. Das ist schon schön, wenn was durchdacht ist, aber das ist dann trotzdem ein Türgriff, ist ein Türgriff. Und wenn man denkt, ja, und die ganzen Schadstoffe, die wir aber dann einatmen, das hat viel mehr Wirkung auf uns. Und da ist manchmal der Fokus nicht der richtige. Und ich wehre mich gegen die Perfektion, auch aus dem Grund, weil ich weiß, dass das die Partizipation oft abwürgt. Und mir ist das lieber, dass es aufgeladen ist mit guter Energie und die Leute eine Freude daran haben. Und trotzdem kann etwas, kann es trotzdem schön sein. Weil vor allem, man muss schon die Zügel in der Hand haben, man muss, das Grundkonzept muss gut sein. Und es muss stimmig sein. Und dann kann es dazwischen mal ein bisschen feigeln. Und das hält es auch aus. Und das, und ich glaube, das ist was, was man diesem Perfektionsdruck, dem wir sowas wieder entgegensetzen, dem wir sagen, nein, da machen wir nicht mit. Also früher, wenn man jetzt zum Beispiel in der arabischen Architektur schaut, die haben ja absichtlich einen Feller eingebaut, weil sie gesagt haben, ja, nur das Göttliche ist perfekt. Und das ist mir sehr sympathisch, muss ich sagen, dass er sagt, ja. Und wir Menschen, ja, da menschelt es, aber dafür spürt man uns da drin in dem Gebäude.
Idam:
Mir geht es so, wenn ich zum Beispiel den Unterschied zwischen einem original gotischen Bauwerk anschaue und einem historistisch gotischen aus dem 19. Jahrhundert, wo man im 19. Jahrhundert schon die industriellen Fertigungsmöglichkeiten hat, da ist dann alles symmetrisch. Und wenn man sich was Altes anschaut, ist da einfach, das ist asymmetrisch und man spürt, es ist nicht mehr anonym, sondern letztlich bildet sich jeder Handwerker, jede Handwerkerin bildet sich am gebauten Objekt ab.
Heringer:
Ja, ich empfinde das sogar unheimlich. Also ich hab' das, ich war vor kurzem in L.A. und habe mir von Frank Lloyd Wright, das waren ganz gegossene Ornamente, die ich wirklich als unheimlich empfunden. Weil man doch Wahnsinn, eben weil du die Seele nicht spürst oder die Menschlichkeit von dem Handwerker, der das da, weil das ist ja, wenn du was verziehst, da ist was Spielerisches dabei, da plagst du vielleicht einmal, aber du spürst, die Energie, die da reingegangen ist und wenn das da nur noch gegossen ist. Dann ist irgendwie, also es ist wirklich heimelig, also es ist eben nicht mehr, also die Seele spürst nicht mehr, es ist leer.
Idam:
Es ist hart. Wenn ich mir deine Schule in Bangladesch vorstelle. Da ist für mich eigentlich das stärkste Bild, was ich im Kopf habe, die bunten Textilien, die im Wind wehen. Einfach was sehr, sehr Weiches, was leicht Veränderliches und eigentlich ein Element, was in der Standard-Mainstream-Architektur dann eher nur im, Bereich der Raumausstattung ist. Und ich habe das Gefühl, bei dir ist die Textilie fast was Strukturbildendes. Sehe ich das falsch?
Heringer:
Nein, da hast du recht. Die Textilien, auch die Farben, sind für mich etwas, was einfach dazugehört. Das finde ich so einen schönen Dialogpartner dazu. Das ist eine Massivität vom Lehm, auch die Archaik und die Ruhe und dann eben so die Weichheit und das Fließende und auch die Bewegung mit reinzubringen. Das geht natürlich wunderschön über das Textil. Und gerade in Bangladesch, wo ich die erste Schule gebaut habe, mein erstes Gebäude, da habe ich so viel, sieht man die Sari-Stoffe zum Trocknen, irgendwie über den Bambus hängend und im Wind. Und das hat mir natürlich wahnsinnig gut gefallen, wenn man sich in die Schule mit reingeholt hat.
Idam:
Glaubst du, dass wir aus der Architektur, so wie es das du zum Beispiel in Bangladesch kennengelernt hast, eigentlich ein sehr heißes Land, wo jetzt schon ein Klima herrscht, wie es vielleicht bei uns in einigen Jahrzehnten herrschen wird, welche Erfahrungen aus der Architektur, aus der traditionellen Architektur Bangladesch', glaubst du, kann man in unserer Region übertragen? Oder welche architektonischen Handlungsweisen?
Heringer:
Ja, also die thermische Masse ist ganz bestimmt sehr wichtig. Also ich bin ja selber daheim in einem Altbau mit einem Meter dicken Wänden. Wir haben an den heißesten Tagen haben wir ein total angenehmes Klima. Also wirklich. Und dasselbe ist in Bangladesch, wir haben dicke Wände mit Lehm. Und natürlich musst du schauen, dicke Wände ist viel Masse. Also welchem Material macht man das? Also wenn diese Masse jetzt mit vielen fossilen Energiequellen verbunden ist und CO2 und so weiter, dann ist das natürlich nicht gut. Aber wenn es jetzt eine Masse ist, die quasi aus dem Ausruf kommt und die in Fülle vorhanden ist und die Erde ist, ist da. Also wir haben gerade in Österreich, glaube ich, 65 Prozent des Bauschutzes ist Erde und die kann man zum Bauen verwenden. Dann muss man das natürlich anwenden. Und das weiß ich, das weiß jedes Kind in Bangladesch, dass es im Lehmhaus im Sommer kühl drinnen ist und im Winter wärmt es. Und dieser Ausgleich durch die Masse, das ist etwas, was wir komplett verlernt haben. Also wir machen es dünn und dann klatscht man noch irgendwie eine Wärmedämmung drauf, die schimmelt dann mal.
Idam:
Und verhindert im Sommer sogar die Nacht Kühlung, also dass das Gebäude aufgrund der Wärmedämmung dann nicht mehr auskühlen kann, hast du in Bangladesch traditionelle Belüftungssysteme kennengelernt oder wie, wie wird dort wird da so auf den Wind geschaut, wird da auf die Hauptwindrichtung geschaut werden, werden da die Gebäude in den Wind gestellt?
Heringer:
Die sind relativ klein, die Öffnungen, weil sie sich tagsüber im Prinzip eigentlich fast nur draußen aufhalten. Also der Innenraum ist eigentlich hauptsächlich für das Schlafen und für das Lagern da. Und deswegen tun sie es da relativ klar machen, aber was wir gemerkt haben natürlich, also auch in Ghana, wo wir jetzt bauen, die Querlüftung ist essentiell, also dann funktioniert das wunderbar.
Idam:
Erinnert mich jetzt, ich habe jetzt ein Bild gehabt, wie du da kleine Öffnungen und den ganzen Tag da außen arbeiten, sind mir unsere alten Bauernhäuser eingefallen. Was glaubst du oder was nimmst dir du mit aus unserer lokalen, traditionellen Architektur, was jetzt noch zu wenig Gewicht hat oder was du glaubst, das waren Potenziale, da könnte man drauf aufbauen und für die Zukunft was entwickeln.
Heringer:
Ich frage alle meine Studierenden am Anfang vom Semester, dass sie sich zurückerinnern sollen an die Räume, die sie selber gern gehabt haben als Kind. Und meistens sind es dunkle geborgene Räume. Und jetzt, wenn wir aber ans Wohnen denken, sagen wir, ich wollte es ganz hell haben, wir haben möglichst viel Glas.
Und dann merkt man eigentlich, also das ist was, was uns so eingetrichtet worden ist, also möglichst viel Glas, möglichst hell. Aber wir brauchen auch die Ruckzugsräume. Wir brauchen auch das Geborgene, wir brauchen auch das Höhlenelement in unserer Wohnung. Und ich glaube, das ist Heimelige, eben das Geborgene, das haben unsere alten Häuser sehr oft. Und Und diesen Gegenpol, natürlich ist es gut, wenn die Sonne hereinscheint und wenn wir diese hellen Punkte auch haben. Aber wir brauchen auch die Höhle.
Idam:
Ich lebe in einer Höhle in Hallstatt und gerade heute, wie ich da Glück habe, wie in der Früh gesessen bin, dass ja das dann was Besonderes ist, wenn durch die kleinen Fenster dann ein Sonnenstrahl hereinfällt. Man nimmt ja das durch die kleinen und dann sind die Scheiben ja noch einmal geteilt. Es ist ja quasi ein kleines Fenster, was noch einmal in vier kleinere Flächen unterteilt worden ist. Und da fällt mir ein, ich bin erst eigentlich vor zwei, drei Jahren auf die Mustersprache von Christoph Alexander gestoßen, auf der Pattern Language. Wie stehst du zu Christoph Alexander? Hat das deiner Meinung nach, ist das ein interessanter Ansatz?
Heringer:
Das ist auf jeden Fall ein interessanter Ansatz. Also eben, wenn ich meine Studierenden frage, dann sammeln wir auch einfach quasi die ganzen Lieblingsräume und dann merkt man, dass das einfach ganz archaische Bedürfnisse sind, eben die Geborgenheit und dann trotzdem aber auch den Überblick zum Beispiel haben. Also in der Baumkrone sitzen und von den Blättern geborgen sein und geschützt sein, aber trotzdem durchspitzen können und genau beobachten können, was so abgeht. Oder unter dem Tisch mit großem, oder mit langem Tischtuch überhängen und man ist geborgen drunter und akustisch kriegst du alles mit. Das sind so die spannenden Räume und die beschreibt er ja auch. Und ich versuche in jedem von meinen Gebäuden in irgendeiner Art und Weise mit reinzubringen, solche Räume und auch ganz klar im Städtebau schauen, dass wir die da auch haben, diese Arkaden, wo man das Beispiel hat. Und diese guten Proportionen, ich bin ständig am Sammeln, wenn ich unterwegs bin. Und mein Beruf hat zum Glück auch viel mit Reisen zu tun, da sammele ich ständig schöne Räume und eben diese, und die traditionellen Proportionen, die beeindrucken mich sehr. Und ich bin überzeugt, dass wir die in unseren modernen Bauten genauso einsetzen können. Und das dann natürlich kombiniert, also neue Formensprache, aber kombiniert trotzdem auch mit archaischen Materialien, wie den Stampflehm oder überhaupt den Lehmbau, das ist ein ganz spannender Dialog dann.
Idam:
Wenn du jetzt, so wie vorher beschrieben, in der Baumkrone sitzt und quasi in einem übertragenen Sinn in die Zukunft schaust, welche Chancen gibst du denen Ideen, die du vertrittst, welche Chancen hat diese Form des Bauens? Wie schätzt du die Situation ein fürs nächste Jahrzehnt?
Heringer:
Also drei Milliarden Menschen leben immer noch in Lehmbauten. Das heißt, wir reden nicht von einer Nische, sondern wir reden von einem Großteil der Menschheit. Und was wir aber korrigieren müssen ist, weil die Zahlen gehen natürlich zurück. Wir müssen korrigieren dieses Trugbild, das die moderne Architektur uns glücklich gesund macht und eben auch darüber reden, dass diese Ausbeutung von Ressourcen auf Kosten von der sozialen Gerechtigkeit geht, auf Kosten von unserem Klima. Und vor allem auch zeigen, wie es anders geht mit schönen Beispielen. Und die Begeisterung oder die Nachfrage nach Lehm zum Beispiel beim Bauen, die steigt enorm. Also das sind die letzten zehn Jahre schon enorm gestiegen. Und jetzt müssen wir natürlich noch mehr gute Beispiele bauen. Und ich freue mich auch, dass jetzt da in Bad Goisern jetzt eine Wand zum Angreifen gibt, wo man einfach mal spürt, da ist eine Wärme drinnen, da ist die Energie von denen, die mitgebaut haben drinnen. Und es gibt Ruhe. Also wenn man da in den Friedhof ist, der ja eigentlich also der Sand, der Kies, der knirscht, du hast voll den Überblick, du hast überhaupt keinen Rückzugsort eigentlich, du hast die ganzen harten Steine da und dann gehst du in diese Umarmung von diesen Lehmwänden rein, wo du dann die Geborgenheit spürst. Ich glaube, das ist wichtig, dass die Leute das spüren, weil das hilft dann wieder, dass man sagt, ach, so eine Wand hätte ich eigentlich gerne in meinem Wohnzimmer. Oder in meinem Garten, tu' ich es einmal ausprobieren und dann vielleicht das nächste ist dann das Wohnzimmer. Und das ist wichtig, dass man sowas im öffentlichen Raum hat.
Idam:
Anna ich danke dir herzlich für das Gespräch.
Heringer:
Ebenso, Dankeschön.