Simple Smart Buildings

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Transkript

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[0:00]Heute zu Gast in Simple Smart Buildings wieder Joel Schmalnauer. Joel Schmalnauer ist Tischlermeister, lehrt an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in Hallstatt und er ist gerade dabei, ein Haus, vielleicht sogar ein ganz kleines Anwesen, das er von seinem Großvater übernommen hat, herzurichten, auszubauen, weiter zu nutzen. Du bist mit der Idee zu mir gekommen, über den sogenannten Stadel, einem Wirtschaftsgebäude, zu sprechen. Und ich denke, so wie ich das von dir jetzt im Vorgespräch erfahren habe, dass dieser Stadel einerseits auf die Art, wie er errichtet wurde und andererseits auf die Art, wie er jetzt über Jahrzehnte genutzt worden ist, eigentlich ein Musterbeispiel für nachhaltiges, effizientes Bauen ist. Joel, weißt du noch, wann dein Großvater mit dem Stadelbau begonnen hat und was so seine Intention dazu war?

[1:14]Ja, mein Großvater hat eben, nachdem er sein Haus fertiggestellt hat, 1954, direkt begonnen mit der Ressourcenbeschaffung für den Stadel. Und er wollte diesen Stadel nutzen für eine sehr kleine Landwirtschaft, könnte man sagen, für den Eigengebrauch. Also es war ursprünglich sein Gedanke, einige Ziegen dort unterzubringen im Stall. Allerdings seine Frau war vom größten Bauernhof in Bad Goisern zu dieser Zeit. Ja, da waren die Ziegen immer etwas verpönt für arme Leute. Und sie haben sich dann geeinigt auf eine Kuh, die sie im Stall unterbringen wollen und eben einen Stadel errichten wollten, wo ein Stall drinnen ist und eben dann aufgezimmert der Stadel für die Heulagerung. Wie gesagt, 1954 begann er mit der Materialbeschaffung. Das waren einerseits Hühner.

[2:13]Einmal Steinmaterial, die er aus dem Weißenbach gewonnen hat, dann Sand und Schotter für das Fundament aus dem sogenannten Schüttkram. Das ist in einem Ortsteil von Bad Goisern eine geeignete Stelle, wo ihm dieses Schottervorkommen war. Und ganz interessant für den Stall, der ja gemauert ist, hat er zu dieser Zeit in der Nachkriegszeit, den 50er Jahren, war es sehr schwierig Ziegel zu bekommen, weil ja die Ziegel für den Wiederaufbau ein sehr wertvolles Material waren. Er hat schon für das Haus Ziegel bekommen vom Elektrodenwerk, das ist ein großer Betrieb in Bad Goisern und da wurde ein Schlot, der abgebrochen wurde zu dieser Zeit und wo die Ziegel, die noch intakt waren, dann verkauft wurden und die, die nicht mehr intakt waren, also zerbrochene Ziegel, die konnte man dann relativ günstig erstehen, musste sie dann putzen und eben mit diesem gebrochenen Ziegel hat er schon beim Haus einiges gemauert und eben auch diesen Stall gemauert.

[3:20]Da möchte ich einen kurzen Einschub machen.

[3:24]Ich betreibe ja neben dem Podcast Simple Smart Buildings auch den Podcast Welterbe Hallstatt, der sich sehr spezifisch mit der Baukultur des Welterbegebiets Hallstatt-Dachstein-Salzkammergut auseinandersetzt Und da habe ich auch eine Episode über dieses Elektrodenwerk in Steg, also das ist eine industriegeschichtliche Episode. Ich stelle in die Shownotes zu diesem Podcast einen Link, also für Hörerinnen und Hörer, die sich da tiefer informieren möchten, da gibt es eine weiterführende Information. Und ein zweites, ich kenne dieses Phänomen der zerbrochenen Ziegel auch in Hallstatt. Da findet man in den Mauern.

[4:09]Alte Ziegel aus dem Pfannhaus und zwar ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die sogenannten Pfannsteher, der Salzpfanne, aus Ziegeln hergestellt und die sind im Lauf der Nutzung relativ schnell zersprungen, wurden periodisch erneuert und auch diese zerbrochenen Ziegel wurden an die Arbeiter abgegeben und die haben sie dann für ihre Häuser im Mauerwerk verwendet, Also eigentlich eine sehr schöne Parallele oder letztlich ein Weiterführen einer Tradition im Salzkammergut von deinem Großvater in der Mitte der 1950er Jahre, 1954 wohlgemerkt, da waren ja noch amerikanische Besatzungstruppen in Bad Goisern.

[4:57]Ja, und das Bauholz für den Stadel hat er dann selbst geschlägert und größtenteils nach 1954 ausgehackt. Also das ist vielleicht eine Parallele zu deiner Episode, einer sehr frühen Episode der Holzausformung. Er hat die meisten dieser Kanthölzer, die für diesen Stadel gebraucht wurden, händisch ausgehackt aus den Blochen und da ist sehr interessant, ist mir aufgefallen, dass zum Teil eben diese Kanthölzer keinen rechteckigen Querschnitt haben, sondern im Prinzip achteckig sind. Weil auf diesen runden Querschnitt des Holzes vier Seiten aufgehackt wurden, aber eben der Querschnitt nicht groß genug war, um das wirklich rechteckig auszuformen und somit zwischen diesen gehackten Flächen nach die Waldkante jeweils wie eine große Phase dieses Kantholz umschließt und somit gewissermaßen ein achteckiger Querschnitt bei den Säulen zum Teil.

[6:06]Hat er die Rinde abgezogen oder ist auf der Waldkante noch die Rinde drauf?

[6:13]Nein, die Rinde, das war ihm immer sehr wichtig, dass diese entfernt wurde, weil man ja weiß, dass die Holzschädlinge sehr gern durch diese Rinde dann ins Holz kommen.

[6:24]Ich weiß es nur von der Statik her, dass man solche waldkantigen Kanthölzer durchaus mit scharfkantigen in der Berechnung gleichsetzen kann, weil durch die Waldkante optisch augenfällig natürlich ein durchgehender Faserverlauf gegeben ist, das ja bei scharfkantigen Kanthölzern nicht immer der Fall ist. Da gibt es ja auch das Phänomen der Abholzigkeit, des nicht durchgehenden Faserverlaufs. Und dass ein solches sorgfältig behauenes Kantholz, auch wenn es keinen vollen Rechteck-Querschnitt hat, statisch dennoch genauso gut funktioniert. Sind die über die ganze Länge gleich stark oder ist bei diesen Kanthölzern in deinem Stadel auch eine Verjüngung zum Zopf hingegeben?

[7:19]Nein, also er hat alle wirklich parallel jeweils zugerichtet und wirklich eben so annähernd dem Kantholz wie möglich diese gehackt.

[7:31]Und weißt du, dass aus seinen Erzählungen, hat er den Abbund dann auch selbst durchgeführt oder hat ihm da ein Zimmerer geholfen?

[7:40]Soweit ich weiß, hat er alles wirklich selbst vorbereitet und beim Aufstellen haben ihm sicher vor allem die Familie geholfen. Aber wie ich ihn kenne, hat er durchaus alle Abbundarbeiten selbst durchgeführt.

[7:56]Und der Sockel oder das Fundament ist eben aus diesen Bachsteinen vom Weißenbach gemauert. Weißt du zufällig, was er da als Bindemittel genommen hat? Hat er da schon Zement verwendet oder ist das Kalkmörtelbindung?

[8:12]Ich denke, es ist schon Zement, also von den Mauern, die man ja sehr gut sieht, denn er hat das Mauerwerk 50 Zentimeter über die Geländeoberkante hochgezogen, um eben dann das aufgesetzte hölzerne Material vor dem direkten Spritzwasser zu schützen. Und da ist erkennbar, dass es mit Zementbindung gemauert wurde.

[8:34]Und da gibt es eben jetzt einerseits diesen gemauerten Stall. Welche Decke hat dieser Stall? Ist das schon eine betonierte flache Decke oder ist das so ein Traversengewölbe?

[8:48]Es ist eine betonierte Decke, ja.

[8:50]Und dann ist eben darauf, ich denke sowohl anschließend an den Stall, als auch dann im ganzen Obergeschoss eine Holzriegelkonstruktion mit einer, nehme ich an, vertikalen Verbretterung.

[9:07]Genau. Und die Verbretterung ist sehr einfach gehalten, also ohne Abdecklatten oder so. Man sieht, wenn man im Stadel ist, durchaus eben die Sonne hereinscheinen. Aber ich denke, dass auch gerade dadurch diese Langlebigkeit erhalten war, da eben die Bretter durchaus nach einem starken Gewitter, wenn die Fassade nass wurde, wieder wunderbar abtrocknen konnte durch diese Luftigkeit.

[9:33]Und der Stadel natürlich permanent gut durchlüftet ist.

[9:36]Genau. Wäre die Heulagerung dann einmal ein Thema gewesen, wäre das ja durchaus positiv zu bewerten, wenn der Stadel von Luft durchströmt würde.

[9:45]Ist am Stadel noch die originale Dachdeckung drauf?

[9:49]Nein, es war ursprünglich eine Holzbretterdeckung, also Dachbretter. Und die wurden später, 1972, hat mein Großvater auf der Nordseite ein Eternitdach aufgebracht.

[10:04]Wieder eine Rhombus-Deckung wie beim Haupthaus?

[10:07]Genau, ja. Und 1982, also zehn Jahre später, hat er auf der Südseite des Stadels Bramac-Dachsteine aufgebracht. Und da hat er aber zusätzlich noch die Rafen verstärkt. Also er hat auf die Schalung, die quasi auf den Rafen aufgesetzt war, dann noch einmal Kanthölzer aufgesetzt, durchgeschraubt und dann die Latten für die Brama-Dachsteine aufgebracht.

[10:37]Gibt es da nicht dann Höhenkonflikte im Firstbereich?

[10:40]Ja, im Firstbereich ist es sowieso spannend, weil man zwar verschiedene Dachdeckungen hat und das hat er irgendwie so hingebracht mit den Firstkappen, dass das funktioniert.

[10:50]Die ursprüngliche Nutzung als Stall für eine Kuh ist ja dann letztlich nie durchgeführt worden. Wie ist die Nutzungsgeschichte dieses Stadls?

[11:04]Mein Großvater hat dann einfach bemerkt, dass er sich durch Nebenverdienste mit einem Steinmauern einfach mehr Geld verdienen könnte, als diese Kuh ihm gebracht hätte, die sie da vielleicht sich eingestellt hätten und dadurch hat er dann nie das so genutzt. Er hat dann den Stall relativ bald als Werkstätte eingerichtet, bis dass er sich dann eine eigene Werkstätte am, wie du schon gesagt hast, kleinen Anwesen gebaut hat. Später hat er dann den Stall wieder umgenutzt als Garage, dafür hat er die Stalltür erweitert, das hat er dokumentiert. Und zum heutigen Zeitpunkt ist der Stall einfach eine Lagerfläche für Maschinen zum Beispiel, also die Brennholzkreissäge steht da, der Freimischer für den Beton ist da untergebracht. Viele andere Dinge und so ist dieser Stall, wie gesagt, nie als Stall genutzt worden, aber ich bin trotzdem unendlich froh, diesen Stall und auch den gesamten Stadel zu haben, denn ich wüsste wirklich nicht, wo ich mein Zeug unterbringen würde, hätte ich ihn nicht.

[12:16]Ist da nicht auch die Gefahr, ich habe einmal die Erfahrung bei einer Garderobe gemacht, als ich in den späten 1980er Jahren mit meiner Familie nach Wien gezogen bin, um zu studieren, da haben wir uns mit einem befreundeten Paar eine sehr große Wohnung genommen und haben eine Wohngemeinschaft gegründet. Und da war so die erste Intention, eine große Garderobe zu machen. Aus der Erfahrung heraus, dass Garderoben immer zu klein sind. Das waren dann, glaube ich, wirklich vier Laufmeter Garderobe mit Haken. Und die war aber eigentlich sehr schnell voll und sind dann auch Kleidungsstücke, oft monatelang gehangen, ohne dass man sie benutzt hat. Also ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, wenn man den Platz hat, wenn man den Raum hat, fühlt sich der quasi von selbst. Glaubst du, dass möglicherweise bei so einem Stadel auch die Gefahr besteht, wenn man den Platz hat, dass dann erst die Dinge kommen?

[13:24]Ich denke, es ist sehr gut beschrieben mit der Theorie eines Freundes, der einmal gesagt hat, immer wenn er irgendeinen Ort freiräumt, ist es wie ein Vakuum und innerhalb kürzester Zeit findet jemand und oft auch er selber wieder irgendetwas, wo er sich denkt, genau da hat das Platz und darum muss er es vielleicht nicht wegschmeißen, denn man kann es ja da hinstellen. Und ich merke es auch persönlich, dass es oft ein Umschichten ist, dass man sich irgendetwas Neues anschafft, einen Platz dafür vorgesehen hat, an diesem Platz stehen aber auch wieder Dinge und die schichtet man dann immer hin und her. Man wirft sicher hin und wieder etwas weg, aber es kommt immer Neues hinzu, die ich denke, es ist wichtig. In der Natur des Menschen, wenn Platz da ist, wird dieser Platz genutzt.

[14:18]Ich glaube, hier ist eine Optimierung. Ich glaube, dieser Stadel, wie du ihn beschrieben hast, ist eben ein sehr schönes Beispiel auch für Kreislaufwirtschaft, für das Mehrfachverwenden alter Bauteile, wie etwa der Ziegel. Und ich glaube, wenn man Kreislaufwirtschaft im Kleinen, und ich glaube, viele Dinge sind nur sinnvoll, wenn man sie im Kleinen, im überschaubaren Rahmen betreibt und nicht groß strukturiert ist. Ich glaube, manche Dinge lassen sich auch gar nicht so einfach ins Große skalieren. Und für diese kleine eigene Kreislaufwirtschaft ist der Lagerraum, ist der Platz natürlich die Notwendigkeit, um die Dinge aufzuheben, um sie dann gegebenenfalls weiterzuverwenden. Ich glaube, es gibt ein Optimum. Ich glaube, gar kein Lagerplatz und alles wegschmeißen ist genauso schlecht wie ein riesiger Lagerplatz, der so unüberschaubar ist, dass man gar nicht mehr weiß, was man alles besitzt. Und möglicherweise denkst du, dass da dein Stadion die richtige Größe besitzt.

[15:27]Ich denke, man wird sicher mit weniger auskommen, aber ich bin sehr froh, diese Fläche zu haben. Und gerade dann im oberen Bereich, also im ersten Obergeschoss und im Dachraum, habe ich ein großes Schnittholzlager. Gerade kürzlich war es so, dass mein Vater im Wald Holz gemacht hat, Brennholz. Und es waren aber einige Bloche dabei, wo er dachte, die hätten die Qualität für ein Bauholz. Und er hat mich gefragt, ob ich etwas brauche und ich habe gesagt, ja, ich habe schon geplant eine Gartenlaube. Also am Plan ist sie fertig und ich könnte direkt den Holzauszug machen. Ich habe aber geplant, diese Gartenlaube erst nach dem Hausumbau zu machen. Und nachdem ich den Hausumbau in Eigenregie durchführen werde, ist es ungewiss, wie lange das dauern mag. Und es mag sein, dass ich diese Gartenlaube erst in 10 bis 15 Jahren machen werde. Aber das Holz lag im Wald und es war geeignet und so habe ich diesen Holzauszug erstellt und habe jetzt dieses Holz momentan noch im Freien draußen, aber in einigen Jahren werde ich es vermutlich dann in den Stadel räumen, wo es dann gut gelagert ist, um vielleicht in 10 Jahren eben diese Gartenlaube zu machen. Wo ich nicht weiß, ob ich in zehn Jahren wieder diese Möglichkeit habe, so einfach zu diesem Bauholz zu kommen.

[16:57]Wenn ich es jetzt so im Kopf überschlage, hat der Stadel heuer sein 70-Jahr-Jubiläum.

[17:04]Ja, die Materialbeschaffung war 1954, die Errichtung dann 1955. Also nächstes Jahr wird es soweit sein.

[17:13]Wie ist der konstruktive Zustand der Holzteile nach 69 Jahren?

[17:19]Also ich kann absolut nirgends jetzt starke Abnutzungen feststellen. Natürlich, die äußere Verbretterung ist natürlich gerade durch die Sonneneinstrahlung, man merkt, das Material wird etwas dünner, aber es wird auch schöner. Es ist einfach eine Freude, wenn man diesen Stadel sieht, dieses sonnenverbrannte Holz, weil es wunderschön ist und auch ganz interessant, an der Westseite des Stadels wächst seit vielen Jahrzehnten ein Birnbaum, ein sogenannter Spalierbaum, der an der Wand hochwächst. Ich weiß nicht, ob es sich positiv oder negativ auswirkt, aber ich kann auch durch diesen Baum absolut keine Änderung des Holzzustandes sehen.

[18:05]Ich denke, dieser Stahl ist ja auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie ein Gebäude, das sehr einfach, aber klug gebaut ist. So wie du erzählt hast, mit einem Sockelmauerwerk, das einen halben Meter über das Gelände ragt, sodass die sogenannte Spritzwasserbelastung der Holzteile zum größten Teil hinter angehalten wird. Ich gehe davon aus, dass es auch einen Dachüberstand sowohl im Traufbereich als auch im Ortgangbereich gibt. Das Dach ist ein Satteldach. Die Holzverschalung hat Fugen, ist luftig und wie du jetzt berichtet hast, ist das Gebäude nach fast 70 Jahren noch immer in Ordnung. Joel, ich danke dir sehr für deine Einblicke in deinen Stadl.

[19:00]Sehr gerne.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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