In der Episode über das Vorhaus hat Joel Schmalnauer auch davon erzählt, dass er plant, in seinem Garten ein Salettl zu errichten. Und ich möchte jetzt einfach eine Episode einschieben, in der ich über das Salettl erzähle, das ich errichtet habe. Der Bautyp des Salettls ist in Österreich verbreitet, auch in Süddeutschland. Der Name kommt aus dem italienischen Saletta, das ist das Diminutiv zu Sala, also zu Saal, kleiner Saal und bezeichnet im Regelfall einen sehr leichten, hölzernen Gartenpavillon. Ja, es kommt auch in der Strudelhofstiege von Heimito von Doderer ein Salettl vor. Im Hinterhof des Hauses, wo die Frau Oplatek ihre Trafik betreibt dort, gibt es auch ein Salettl, das ein dort ansässiger Fotograf nutzt. Ich kenne für das Salettl auch den Begriff Lusthaus. Und im österreichischen Salzkammergut ist wohl mit der Sommerfrische, mit der Richtung der Sommervillen natürlich auch dieser Bautyp aufs Land gekommen, von Städtern, die im Salzkammergut Sommerfrische, Urlaub gemacht haben und dort auch einfach die Zeit hatten, im Gegensatz zur ansässigen arbeitenden Bevölkerung, auch das zu genießen. Und mir war eigentlich relativ früh klar der Wunsch, dass auch ich ein solches Salettl, so ein Gegengewicht zum Haus haben möchte und aus der topologischen Situation, wo das Haus steht, das ich bewohne. Und ich habe darüber auch schon ein wenig erzählt in der Episode über das Muster des terrassierten Hangs. Das Haus steht in Hallstatt auf einem sehr schmalen Felsband, in einem sehr steilen Hang. Und aus dieser topologischen Situation des Felsbandes ergibt sich einerseits fürs Haus ein Grundrisstyps eines sehr langgestreckten Hauses da, Da plane ich eine Episode über das Muster, da gibt es von Christoph Alexander eben auch ein Muster: schmales, langes Haus.
An dieses Haus schließt auf diesem Felsband ein Garten an. Und da war es mir eigentlich klar, dass ich dieses Salettl an das nördliche Ende des Grundstücks, an das Ende des Gartens setzen möchte, sodass es einerseits südlich das Haus gibt und nördlich das sehr schmale Garten, also dass Sie da eine Vorstellung haben, der Garten hat vielleicht eine Tiefe von dreieinhalb Metern und eine Länge von vielleicht 15 Metern und am Ende, am nördlichen Ende dieses Gartens steht das Salettl, sodass sich vom Grundriss her ein C bildet. Also es gibt als Rückwand, als lange Seite des Rechtecks die Felsrückwand, die Steilwand, der Berg und als eine Schmalseite des C‘s gibt es einerseits das Haus und andererseits das Salettl und nach vorne öffnet sich der Blick zum Hallstättersee. Also das ist eine Gartensituation, der Garten ist von außen nicht einsehbar, aber man hat aus dem Garten eine sehr schöne Aussicht und als Schlussakkord am Ende sitzt dieses Salettl und dann geht ja die Felsstufe weiter nach unten, das sitzt es auf einer Stützmauer, die im Bereich des Salettls etwa sieben Meter hoch ist. Und im Entwurf, nachdem ich dieses Grundkonzept, dieses Grundrisskonzept hatte, ging ich daran von dieser topografischen Situation und vom Haus ein relativ kleines Kartonmodell im Maßstab 1 zu 100 anzufertigen und auch ein Salettl. Und dieses Salettl-Modell habe ich eben ganz bewusst zu Beginn noch nicht auf das Kartonmodell festgeklebt, sondern habe, auch gemeinsam mit einem befreundeten Architekten, dieses Kartonmodell des Salettls an unterschiedliche Positionen im Kartonmodell gesetzt und dann immer wieder betrachtet, wie wirkt die Gesamtsituation. Und da war es auch dann ganz klar, also die Grundrissidee, das Salettl an den äußersten Punkt zu setzen, ist gut. Und dann war noch die Frage, soll das Salettl über die Stützmauer auskragen?
Der Entschluss ist relativ schnell gefallen. Das findet man auch in der Bautradition von Hallstatt. Das ist so ein Muster, dass natürlich die Stützmauern, die gemauerten, steingemauerten Wände, Fundamentgebunden sind. Also man muss immer ein Fundament suchen, das sicher ist, das auf dem Felsen ruht. Das heißt, die Stützmauer folgt immer dem Verlauf der Felsbankung, während man mit dem Baustoff Holz, aus dem er das Salettl ist, wesentlich freier agieren kann und daher auch die Auskragung.
Dann ging es auch noch um die Drehung, sitzt das Salettl im rechten Winkel zur Vorderkante der Stützmauer? Und da hat sich dann gezeigt, wenn ich das Salettl ganz leicht Richtung Süden drehe, dann verbessert sich auch noch diese Abschlusssituation. Also das war quasi der erste Schritt in der Planung mit Hilfe eines Kartonmodells, wo genau positioniere ich dieses Salettl und der nächste Schritt war dann die Planung des Baukörpers als solchen. Und ein Gartenhäuschen ist ja klein. Also das Salettl selbst besitzt eine Grundfläche von knapp 2,50 Meter im Quadrat. Also da habe ich mich dann sehr drauf kapriziert, ich habe mich gespielt mit diesen klassischen Proportionsmustern. Die gibt es ja seit der Antike diese Proportionen, diese Orthogone. Sehr bekannt ist zum Beispiel der goldene Schnitt, ein Rechteck im Verhältnis von etwa 1 zu 1,61, aber auch zum Beispiel unser Papierformat, das DIN-Format: 1 zu Wurzel 2, 1 zu 1,4142, das sind lauter irrationale Zahlen und ich bin im Grundriss vom Quadrat ausgegangen und in der Höhe habe ich dann noch mehr gedrückt. Also mir war es klar, dieser kleine Grundriss, der erfordert auch eine sehr kleine Raumhöhe und habe dann eines dieser Orthogone gewählt, das ist das sogenannte Quadrigon. Und das Quadrigon, das kann man sich vorstellen, wenn man ein Quadrat in vier kleine Quadrate unterteilt und nur von einem dieser Teilquadrate die Diagonale aufschwenkt, dann bekommt man ein Seitenverhältnis von 1 zu 1,207. Und durch diesem Wert habe ich die Grundrissseitenlänge dividiert und bin so auf eine Raumhöhe von 2,06 Meter gekommen.
Das heißt, der kleine Grundriss, der niedrige Raum, und der schafft natürlich eine sehr intime, eine sehr umhüllende, schöne Innenraumatmosphäre. Ich habe auch dann das Salettl ganz traditionell mit einem Giebeldach (Satteldach) versehen und auch mit diesen Erfahrungswerten aus dem lokalen baukulturellen Erbe, also auch ein entsprechender Dachüberstand, um eben auch das Holz, aus dem das Salettl errichtet ist, entsprechend konstruktiv zu schützen. Und zum Beispiel auch bei der Dachneigung, bei historischen Dachneigungen gibt es ja nicht die Regel, dass man jetzt die Dachneigung, dass man da einen bestimmten Winkel wählt, zum Beispiel 45 Grad wirkt nicht sehr gut, eigentlich unangenehm, sondern der Winkel historischer Dachneigung ist eigentlich sehr häufig als eine Proportion des Verhältnisses der Höhe der Stuhlsäule, also derjenigen der höchsten Höhe unter der Firstpfette, im Verhältnis gesetzt zum halben Bundtram, also ein rechtwinkliges Dreieck. Und bei diesem Dreieck habe ich ein Seitenverhältnis von Höhe zu halber Bundtrammenlänge von 1 zu 1 1/3 gewählt. Also da gibt sich auch wieder ein Winkel, der im etwa 42 Grad Bereich ist, wenn man eben diese Funktion in den Winkel umrechnet. Und ich denke, durch die Verwendung solcher klassischer Proportionen, die wir aus der Zeit der Antike kennen, ergibt sich auch ein sehr harmonisches Bild. Und so wie ich es beim Garten beschrieben habe, der Garten, der sich zum See öffnet, so öffnet sich auch die Vorderfront, die Südostfront des Salettls oder es ist mehr Ost, es ist nur ganz wenig Süd, zum See hin. Und auch diese Fensteröffnung habe ich wieder in einer klassischen Proportion gewählt, nämlich 1 zu 1,5, also ein Quadrat plus ein halbes Quadrat dazu.
Diese Öffnung habe ich wiederum unterteilt in drei Fenster. Und die Fenster, das sind sogenannte Steckflügel. Also da habe ich einen kulturellen Blick hinausgewagt ins japanische Haus, wo ja auch im traditionellen japanischen Haus diese Papierwände, die das Haus schließen, vollständig herausgenommen werden können, also mit einer sehr einfachen Technologie. Und das habe ich auf die einflügeligen Fenster übertragen und da gibt es eben auch dann diese drei Fensterflügel, die übernehmen dann natürlich wieder die Proportion, dass sich durch dieses Dritteln dann im Hochrechteckformat auch für die Fensterflügel, für jeden Einzelnen wieder das 1 zu 1,5 ergibt. Also die Gesamtproportion geht dann über in die Teilproportion und da sind wir natürlich genau wieder bei einer fraktalen Struktur. Und das ist so ein Grundmuster, wo man jetzt durch neue psychologische Forschungen weiß, durch Tests, dass Menschen intuitiv solche fraktalen Strukturen als schön empfinden. Und die einzelnen Fensterflügel haben dann wieder eine traditionelle Sprossenteilung, wo dann auch wieder zwei Felder in der Breite und drei in der Höhe, also auch wieder dieses 1 zu 1,5. Sodass letztlich jede Öffnung zwischen den Sprossen wieder ein Quadrat ist. Das heißt, letztlich rezipiert dann das Quadrat der einzelnen Glasscheiben des Fensters wiederum das Grundrissquadrat des Bodens. Der Baukörper selbst ist vollständig aus Holz errichtet. Also ich habe einerseits eine Holzriegelbauweise entwickelt und die Felder zwischen den einzelnen Riegeln sind dann mit Massivholz ausgefüllt. Aber bevor ich jetzt hier im Studio sitzend weitererzähle, setze ich die Tonaufnahme, ich gehe jetzt ins Salettl, vielleicht auch um ein bisschen den Raumklang einzufangen, aber auch um selbst die Atmosphäre zu spüren und vielleicht noch ein bisschen authentischer erzählen zu können.
Der Baukörper des Salettls ist vollständig aus Holz errichtet. Die Grundstruktur ist eine skelettöse Riegelbauweise. Die Felder sind zum Teil mit Massivholz vollständig ausgefüllt und sowohl außen als auch innen mit einer vertikalen Verbretterung verkleidet. Die innere Verbretterung besteht aus Weymouthskiefer, die Konstruktion, der Riegelbau aus Lärche und auch die Außenverbretterung besteht aus Lärche. Mir war es dabei sehr wichtig, möglichst breite Lärchenbretter zu verwenden. Das ist auch so eines der Muster des lokalen baukulturellen Erbes, Holz so breit wie möglich zu verwenden. Einfach aus dem Sachverhalt, es war über Jahrhunderte einfach schwierig, energieintensiv war Holz zu zersägen und nicht, so wie es heute üblich ist, Holz in möglichst kleine Lamellen zu zerlegen und dann wieder zusammenzuleimen, sondern man hat das Holz möglichst in seiner ursprünglichen Breite verwendet. Und diese Tradition habe ich wieder aufgegriffen. Da gibt es natürlich den Umstand, dass Holz quillt und schwindet. Und man muss bei der Konstruktion, wenn man so breite Bretter verwendet und Rissbildungen vermeiden will, natürlich in der Konstruktion darauf speziell Bedacht nehmen. Ich habe das bei der Außenverbretterung so gelöst, dass ich die sogenannte rechte Seite des Brettes, das ist jene Seite, die sich beim Trocknen aufwölbt, nach außen gekehrt habe und diese Bretter lediglich in der Mitte ihrer Breite mit nur einer Schraube befestigt habe, sodass ich quasi die konvexe Wölbung des Holzes mit dieser Schraube an die Holzkonstruktion presse, sodass das Brett einerseits möglichst eben bleibt, aber andererseits ist es eben an seinen Enden nicht befestigt, also bezogen natürlich auf die Breite, nicht auf die Länge.
Und daher kann dieses Brett unbehindert quellen und schwinden. Ich habe schon bei der Montage darauf geachtet, dass zwischen den Brettern eine Fuge offen bleibt mit etwa 5 mm Breite. Und genau in diese Fuge habe ich dann die Schraube, welche die Deckleiste über diesen Fugen hält, hineingeschraubt, sodass einerseits eine schlagregendichte Konstruktion entsteht, die Deckleiste gemeinsam mit der Unterkonstruktion und der Schraube quasi eine Nut bildet, in der zwar das breite Brett gehalten wird, aber sich bewegen kann und durch diese mögliche Bewegung dann eben nicht reißt. Und das hat sich jetzt über 15 Jahre wirklich bewährt und es haben sich wirklich keinerlei Risse gezeigt. Dieses Motiv habe ich Ihnen auch wiederholt, allerdings habe ich im inneren Bereich auf die Deckleisten verzichtet. Und die Felder, die nicht mit Massivholz ausgefüllt sind, die nicht verbrettert sind, in die sind eben traditionelle Sprossenfenster eingesetzt. Fensterflügel mit einer Teilung, dass in der Breite zwei quadratische Felder, in der Höhe drei quadratische Felder durch die Sprossen entstehen. Und diese leichten Flügel sind nur mit einem sehr dünnen 3 mm Floatglas verglast. Diese Flügel lassen sich herausheben, sodass sich die Öffnungen vollkommen aufmachen lassen. Das ist eben die Sommersituation.
Und dann gibt es die Situation im Frühling und im Herbst. Das sind die Situationen, die ich besonders liebe, wo es draußen doch noch ziemlich kalt ist, wo die Fenster natürlich eingesetzt sind, aber durch die dünne Verglasung, die zwar einerseits natürlich das Ausströmen der Wärme begünstigt, aber umgekehrt diese dünne Verglasung erlaubt auch der Infrarotstrahlung der Sonne in das Salettl einzudringen. Das heißt, gerade in diesen Randzeiten des Jahres wärmt sich das Salettl, sobald die Sonne scheint, relativ schnell auf. Die übrigen Holzteile, wie etwa die massive Rückwand oder die Decke speichern dann die Wärme ein. Holz hat ja die wunderbare Eigenschaft, dass es etwa im Vergleich zu Ziegel pro Kilogramm dreimal so viel Wärmeenergie einspeichern kann und diese spezielle Wärmespeichereigenschaft des Holzes schafft dann auch, wenn die Sonne wieder verschwunden ist, noch einige Stunden im Nachklang eine wunderbare Atmosphäre, weil auch das Holz, in dem die Wärme gespeichert ist, das dann wieder in erster Linie in Infrarotstrahlung abgibt und das schafft eben dieses Wohlfühlklima in diesem Raum, das halt mir persönlich wirklich sehr, sehr angenehm ist. Da kommen natürlich noch Aspekte dazu, das Lärchenholz, die Weymouthskiefer, die diffundieren ja leicht flüchtige organische Substanzen aus, die den Geruch ausmachen. Ich bin Gott sei Dank auf diese Substanz nicht allergisch, sodass ich auch diesen Holzgeruch, der auch noch nach 15 Jahren immer noch vorhanden ist, sehr deutlich und sehr angenehm wahrnehme. Und dann ist natürlich noch eine Komponente und das ist der Klang dieses relativ kleinen Raumes, mit eben etwa 2,50 Meter Grundrissfläche, mit etwa 2,06 Meter Raumhöhe in diesem kleinen, hölzernen Raum. Da bin ich ja fast wie in einem Resonanzkörper eines Musikinstruments und ich finde auch, dass dieser Raum ganz besonders schön klingt, dass hier an Komponenten einerseits die räumliche Hülle, die Dimensionen, die Proportionen, die Materialität, der Geruch und der Klang wirklich in einer Gesamtwirksamkeit zusammenspielen und einen Raum bilden, in dem ich mich sehr gern aufhalte. Ich glaube fast, es ist mein Lieblingsraum. Und vielleicht entsteht diese Qualität eben auch dadurch, dass er nicht das ganze Jahr nutzbar ist. Das Salettl ist ein Raum für den Frühling, für den Herbst, manchmal auch im Sommer. Das ist ja auch wieder eine schattige Situation. Aber im Winter ist eben dieses Salettl nicht beheizbar, da ist es kalt und das ist das Pulsieren des Lebens. Ich denke so, wie ja auch die Natur pulsiert, im Frühling aufgeht und sich dann im Herbst wieder zusammenzieht. Damit analog spielt sich das Leben ab, dass man der warmen Jahreszeit größere Bereiche nutzt und sich dann im Winter, wenn es kalt wird, wieder in die Kernbereiche des Hauses zurückzieht.