Simple Smart Buildings

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105_ Hell und Dunkel

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Ein, wie ich denke, sehr archaisches Muster, das uns Menschen bewegt, im wahrsten Sinne des Wortes, ist der Wechsel von hell und dunkel. Wir als Menschen sind sogenannte Phototrope-Wesen. Das bedeutet, dass wir uns dem Licht zubewegen. Das heißt, bewegen, einerseits wirklich im Gehen, wenn wir gehend unterwegs sind, ganz automatisch, unterbewusst gehen wir dem Licht zu. Aber auch wenn wir an einem Platz sitzen, drehen wir unseren Körper.

Wenden wir uns diesem Licht zu. Und da denke ich, stecken schon sehr archaische menschliche Muster drin. Da fehlt mir natürlich so der Begriff archaisch. Frühe Menschheit ist für mich automatisch das Bild der Höhle da. Die Höhle einerseits ein naturgemäß sehr dunkler Raum und einem Eingang, der sehr hell ist und vielleicht als zweites helles Element das Feuer. Dieser Kontrast, die Helligkeit braucht den Kontrast.

Wirkliche Helligkeit kann man nur erkennen, wenn gleichzeitig Dunkelheit vorhanden ist. Und wenn man an die Malerei des Barocks etwa denkt, wo Flammen, Kerzenflammen, Feuer dargestellt wird, eine Flamme kann man natürlich nur entsprechend hell darstellen, wenn die Flamme von Dunkel umgeben ist. Und bei dieser Höhle fällt mir aus der griechischen Philosophie das Höhlengleichnis des Platon ein, wo eben Platon ein Bild der Höhle wählt, um Erkenntnis bei den Menschen darzustellen. Er vergleicht diejenigen, die in der Höhle gefetzt sind, im Dunklen sind, als die Unwissenden. Und er beschreibt dann in diesem Höhlengleichnis mehrere Stufen der Erkenntnis. Und je mehr man aus dieser Höhle ans Licht tritt, und die höchste Erkenntnis sind dann die Philosophen, die im Sonnenlicht stehen. Und er assoziiert Licht mit Wahrheit, mit Erkenntnis. Und wenn wir dann in das 17. bzw. Frühe 18. Jahrhundert blicken, in the Age of Enlightenment, also in das Zeitalter der Aufklärung, hier ist natürlich auch wieder die Helligkeit, das Licht steht da für die Erkenntnis.

Die gibt es nur mit dem Kontrast Dunkel. Und Christopher Alexander beschreibt in seinem Muster 135, dass er Wechsel von Hell und Dunkel nennt, den Raum, den gebauten Raum im Haus als einen Rahmen für Ereignisse. Das heißt, menschliches Leben, Ereignisse brauchen auch einen gebauten, einen materiellen Rahmen und unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen finden Ereignisse besser statt oder passieren Ereignisse in einer Umgebung, die den Ereignissen eigentlich erst die Möglichkeit verschafft, dass sie überhaupt stattfinden. Sie kennen alle die Situation.

Dass man bei Kerzenlicht, dass man bei Kaminfarbe, diesem extremen Hell-Dunkel-Wechsel, möglicherweise tiefere, philosophischere Gespräche führt als einem gleichmäßig mit LED-Elementen ausgeleuchteten Raum. Und das bezieht sich eben einerseits wirklich auf die gebauten Räume und wie wir hier mit diesem Wechsel von hell und dunkel diese gebauten Räume zu Kulissen, zu Rahmen für ganz bestimmte Ereignisse machen. Und eben schon dieses genannte Beispiel des Kaminfalls. Da gibt es ja unterschiedliche Traditionen in Europa. Es gibt diesen zentral-nordosteuropäischen, dieses Konzept, wo der Kamin, Der Rauchfang, das Feuer in der Mitte des Hauses ist. Und da als Gegenentwurf das südeuropäische, italienische Konzept, wo der offene Kamin an der Außenwand steht. Und hier ist ja ein sehr schönes Bild. Stellen Sie sich vor, zwei Fenster dazwischen, ein breiter Wandpfeiler und in diesem breiten Wandpfeiler der Kamin.

Man blickt in verschiedene Qualitäten von Licht, in das Tageslicht, in das Feuer und auch wenn wir jetzt viel weiter zurück gehen in den Megaron-Typus, in dieses Vorhallenhaus, das so quasi zeitlich zwischen der Höhle und dem gebauten Haus mit Kamin steht, auch in diesem Vorhallenhaus, wo es eben den Hauptraum gibt, mit einem Eingang. Man sitzt an der Rückwand, blickt zum Eingang und dann gibt es die Vorhalle, das Übergangsbereich, sowohl räumlich von einer größeren Offenheit und natürlich ergibt sich durch diese größere Offenheit auch eine andere Lichtsituation. Und solche Qualitäten, solche halboffenen Räume haben wir zum Beispiel in Arkaden, in Laubengängen, die den Häusern vorgelagert sind. Da gibt es einerseits dem Haus nah an den dunklen Bereich und den zu den Öffnungen des Laubengangs hin belichteten Bereich, dort wo Bewegung ist, wo die Straßenführung ist.

Dort, wo Bewegung herrscht, dort, wo das Leben interessant wird. Und das sind diese Plätze, also die Plätze am Kamin, die Plätze an einer Laube, auch die Plätze an einem Fenster. Also wenn wir Räume mit dicken Wänden schaffen, wo wir in diesen Fensternischen auch noch Sitzplätze schaffen, dann sind das ganz, ganz qualitätsvolle Plätze. Das gibt es auch im traditionellen japanischen Haus Shoin, die Lesenische, wo eben an einem Fenster ein ganz, ganz qualitätvoller Platz geschaffen wird, wo eben diese ganz speziellen Lichtverhältnisse herrschen als Kontrast zum Dunkeln. Man geht zum Licht, man geht zum Fenster und man kann natürlich, und das ist jetzt der zweite Gedanke, natürlich auch die Erschließung eines Hauses über das Tageslicht steuern. Mir fällt da ad hoc ein schönes Beispiel ein von Plischke. Das Haus Gamerith am Attersee, das ist eine Ikone der modernen Architektur der Zwischenkriegszeit in Österreich.

Und bei diesem Haus ist um das Haus umlaufend ein relativ weit auskragendes Vordach, teilweise sogar auf Stützen. Und über der Haustür ist dieses Vordach durchbrochen. Und genau bei der Haustüre wird durch diesen Durchbruch durch das Vordach das Tageslicht konzentriert. Und es ist ein ganz klares Signal, wo geht es in das Haus hinein.

Und durch eben unseren menschlich-phototropen Wesenszug gehen wir ganz automatisch zum Hellen, zum Licht hin und werden so unterbewusst geführt. Und genauso geht es ja dann im Haus weiter. Man tritt ins Haus ein, kommt vielleicht in einen dunkleres Vorraum, kommt vielleicht in einen dunkleren Vorhausbereich, aber dann sollte genau an den Erschließungsknotenpunkten, dort sollte dann wieder nach Möglichkeit Tageslicht sein, wenn es nicht anders geht, Kunstlicht, und eben sehr ungleichmäßig, dass man sich von einer Lichtinsel zur anderen Lichtinsel verteilt. Also das ungleichmäßige Licht, dieser Wechsel von hell und dunkel, der macht recht eigentlich erst die Qualität eines Hauses aus. Also man soll nicht dem Irrtum unterlaufen, dass wenn ein Haus ganz, ganz gleichmäßig ausgeleuchtet ist, dass man dann Wohnqualität hat. Nein, es ist genau umgekehrt. Es ist dieser Wechsel von hell und dunkel.

Ich lebe ja, das habe ich ja schon in einigen Episoden erzählt, in einem alten Haus, das auch mit dem Rücken zum Felsen steht, wo jetzt nicht viele und auch nicht viele übertrieben große Fenster öffnen. Die gibt es auch. Es gibt auch die großen Fensteröffnungen. aber genau in einem Haus diese unterschiedlichen Lichtqualitäten anbieten, dass man es sich aussuchen kann, wo man hingeht. Und wenn ich dann in die Räume gehe, wo sehr wenige und sehr kleine Fenster sind, das Licht nur sehr sparsam vorhanden ist, da nehme ich eigentlich die Qualität des Lichts und vielleicht sogar das Tageslicht als ein ganz, ganz großartiges Geschenk wahr.

Über diesen Podcast

Simple Smart Buildings steht für Gebäude die einfach und dauerhaft gebaut sind. Für die Generationen vor uns war es ganz normal mit einfachen Mitteln dauerhafte Gebäude zu errichten. Diese Art zu bauen hat sich über Jahrhunderte bewährt und wir können daraus lernen. In den verschiedenen Regionen entwickelten sich aus lokal vorhandenen Baustoffen resiliente Baukonstruktionen und Gebäudetypen, welche Jahrhunderte überdauert haben und gerade deshalb immer noch eine hohe Nutzungsqualität bieten. Dieser Podcast erzählt von Möglichkeiten einfach gut zu bauen.

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von und mit Friedrich Idam und Günther Kain

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